Wandalen, Vandalen: (Ostgermanen) |
------º-Asdingen |
------º-Buri |
------º-Lakringen |
------º-Manimi |
------º-Naharnavali |
------º-Silingen |
------º-Viktovalen |
------º-Wandilier |
Wandelen |
Wandilier (Wandalen) |
------º-Ouargiones |
------º-Vangionen |
Waräger |
-----º-Abarinoi |
-----º-Auarinoi |
-----º-Auarpoi |
-----º-Ouirounoi |
-----º-Varinne |
Wedrecii (Franken) |
Wenden (Slawen) |
Werziten (Slawen) |
Westfalen (Sachsen) |
http://www.obib.de/Schriften/AlteSchriften/alte_schriften.php?Europa/Europa.php~Text
Die Germanischen Stämme Auch die Germanischen Stammesnamen geben der Wissenschaft noch heute Rätsel auf, da eine Vielzahl von anderen Kulturen, mit schriftlicher Geschichte, meist von den Römern, überliefert sind, die Stämme selbst sich jedoch zu diesen ihnen gegebenen Namen kaum geäußert haben. Die Dreiteilung der "Mannus"- Stämme des Tacitus in Istwäonen, Ingwäonen und Herminonen und verschiedene "alter Gruppen", wie die Sueben und Wandilier Ende des 1.Jh. n.Chr. sind wohl die ersten historisch halbwegs zutreffenden Namen. Diese passen in das sprachhistorische Schema, das die zwei Hauptgruppen, die Nord- und Südgermanen des 2.Jh. v.Chr., ab der Zeitwende auf drei aufstockt: aus Schweden abgewanderte Nordgermanische Stämme bilden eine neue, Ostgermanische Gruppe, die Südgermanen werden in Westgermanen umbenannt. Die Stämmenamen unter dieser Aufteilung und die dazugehörigen "Völker" wechseln im Lauf der Geschichte, manche sind Namen von Kultgemeinschaften mehrerer Stämme, die später als eigener Stamm auftauchen und umgekehrt. Das zeigt nochmals, daá wir es nicht mit "Volk", sondern mit Kultur zu tun haben. Nordgermanen Die Nordgermanischen Sippen hielten es am längsten an einem Ort aus und mußten deshalb nicht zu eigenständigen Stämmen auswachsen. Erst die Trennung in Norweger, Schweden und Dänen im 8.Jh. n.Chr. und die spätere Unabhängigkeit Islands teilte den Altnordischen Kulturraum. Diese Teilung ist jedoch bis heute nicht tief, die Skandinavier verstehen sich nicht nur sprachlich noch heute untereinander sehr gut. Ostgermanen Unter die Wandilier des Tacitus rechnet man heute die aus Schweden ausgewanderten Goten und Gepiden, die eine Wandergemeinschaft gebildet hatten, ebenso wie die Burgunder und Rugier, die Wandalen, Ambronen, Hasdingen und Warnen, aber auch die Kimbern, die allerdings so der wissenschaftlichen Datierung widersprechen. Westgermanen Hier findet wieder eine Teilung statt, in die Weser- Rheingermanen, diese sind die Mannus- Stämme des Tacitus, wobei letztlich neben kleinen Rheinstämmen nur die Chatten, Bataver, Canninefaten und Franken namentlich überliefert sind, die Nordseegermanen, die sich aus Cheruskern, Angeln, Sachsen, Chauken und Friesen zusammensetzen, und den Elbgermanen, den Sueben des Tacitus. Diese gliederten sich in Semnonen, Sweben, Markomannen, Quaden, Alamannen, Juthungen, Hermunduren, Thüringer, Baiern und Langobarden. Aus den Dialekten der Baiern, Thüringer, Alamannen und Franken entstand letztendlich die Hochdeutsche Sprache, aus dem Sächsischen das Niederdeutsche. "Deutsch" stellt sich somit wieder als Mischkultur heraus, und rechnet man Keltische, frühe Römische, Hunnische, Slawische, Türkische und Semitische Einflüsse hinzu, die den Stämmen in unterschiedlicher Verteilung und Stärke zugekommen sind, ist Deutsche Kultur schon im 8.Jh. n.Chr. multikulturell. Erst die christlichen Dogmen sorgten für eine konservativere Haltung, die letztlich in schiere Angst Fremdem gegenüber gipfelte. Die Stärke der Germanischen Kultur, sich furchtlos anderen Kulturen gegenüber zu stellen und so brauchbare Elemente zur eigenen hinzuzufügen, war den "Deutschen", aber nicht nur ihnen, genommen. Der Verlust dieser Stärke, die es Germanischen Stämmen ermöglichte, sich in ganz Europa wohl zu fühlen, die Wikinger kamen gar bis Amerika, wirkt sich bis in unsere Generation aus, in der er psychopatische Reaktionen auslöst und Konfliktstoff liefert, und die zu zwei Weltkriegen während nur eines Jahrhunderts geführt haben. |
Procopius ( Hist. Goth., IV, fragment, p.m. 241 şi 248) îi scoate pe Ostrogoţi şi pe Vizigoţi din aceeaşi Scanzia, precum şi pe Longobarzi (deci, i-a adăugat aceluiaşi fragment de istorie şi pe acesta, legat de ţinuturile locuite de Goţi). La fel procedează şi Procopius7, adăugând la ei şi alţi nenumăraţi Vandali (la Tacitus, De Mor. Germ., c. II, îi găsim sub numele de Vandalii, la Procopius şi Zosimus bandiloi, iar la Eutropius ouandaloi, cu variantele Vandeli, Vindili, Vinili, Vinuli, Winili, Winuli,,Vandilier Vandilios la Goţi întărind că au aceeaşi origine: Goqoi te eisi kai Bandiloi kai Ouisigoqoi kai Gepaide? ("Goţii sunt şi Vandali şi Vizigoţi şi Gepizi", Hachenberg, Orig. Germ., XIII); că Vandalii s-au adăugat celorlalţi Goţi, ne-o confirmă o sursă de mare încredere (Procop., Vandal., lib. I, lib. 1V, c. 39) - sub regele Gilimer care se bucura de o mare simpatie; el a avut sub conducerea sa întreaga progenitură a neamului şi pe cea mai nobilă; dintre scriitorii care se bucură de cea mai mare încredere este Grotius (Proleg. Hist. Goth.).
Les Vandales sont un peuple germanique oriental qui traversa l'Europe occidentale lors des invasions barbares pour ensuite traverser la Méditerranée et s'installer en Afrique du nord.au 5ème siècle.
The german Wenden is
known as a synonym for Slavs since the 6th century A.D.
Medieval authors also used
Wandali
instead of Wenden/Slavs.
The swedish kings used the title Suecorum, Gothorum Vandalorumque rex since the 16th century. These terms are survivals of the early medieval identification Wenden=Vandals.
Der Name, der in diesen verschiedenen Formen auftauchte, bedeutete die "Beweglichen" oder "Wandelbaren".
Die Vandalen oder auch Wandalen , Vandili , Vanduli , Vandali waren ein ostgermanischer Stamm.
die Vandilier: zu ihnen gehörten die Burgundionen, die Varinner, Chariner und Gutonen |
die Ingväonen: zu ihnen gehörten die Kimbern, die Teutonen und die Chauken |
die Istväonen |
die Hermunduren: zu ihnen gehören die Sueden, die Hermunduren, die Chatten und Cherusker |
die Peukinder und Bastarner. |
http://wanclik.free.fr/DACIA.htm
Wandalen (Vandalen)
Hatten ihre Urheimat vermutlich in Jütland und in der Oslobucht. Es gab in Schlesien den wandalischen Kultverband der Lugier und einen von Norden her eingewanderten Stamm "wandalischer Silingen" - daher der Name Schlesien. Während der Markomannenkriege tauchten die sog. hasdingischen Wandalen an der römischen Grenze auf und siedelten dann in Ungarn. Die schriftlichen Quellen geben nicht viel her, die archäologischen Funde zeigen, dass Jütland vor dem Stoß nach Südosten ziemlich dicht besiedelt war. Siehe auch...Die Wandalen
Wandilier (Vandilier)
Germanischer Urstamm, laut Tacitus von einem der Mannus- Söhne abstammend.
Wangionen (Vangionen)
Dieser Teilstamm der Sweben überschritt 71 v. Chr., unter Ariovist, den Rhein und setzte sich beim heutigen Worms fest.
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Schlesien |
Vom polnischen Teilfürstentum zum böhmischen Kronland (1138—1419)Wladislaus II. (1138—46) wurde Stammvater einer selbständigen Linie der Piastendynastie, der schlesischen Piasten, die sich ihrerseits in mehrere Zweige aufspalteten. Der letzte von ihnen starb im Mannesstamm 1675 aus, viel später als die übrigen Piasten (im Königreich Polen 1370, in Masowien 1526). Die Anfänge der schlesischen Piasten schienen allerdings nicht auf eine so lange Zukunft hinzuweisen. Wladislaus II. sah sich bald mit der Gegnerschaft seiner vier Halbbrüder konfrontiert, die mit dem Erzbischof von Gnesen und dem Adel verbündet waren. Der durch den Herzog verursachte Sturz des Palatins 1145 führte ein Jahr später zu dessen eigener Vertreibung aus dem Lande. Wladislaus suchte beim Halbbruder seiner Gemahlin (Agnes von Österreich), dem deutschen König Konrad III., Zuflucht. Zwar unternahm 1146 Konrad III. und 1157 sein Nachfolger Kaiser Friedrich I. Barbarossa einen Kriegszug gegen Polen. Im Vordergrund ihrer Unternehmungen stand aber die Wiederherstellung der Lehnsabhängigkeit Polens vom Römischen Reich, und da der nachgerückte Senior von Polen, Boleslaus IV. »Kraushaar«, diese anerkannte, erreichte er eine vorläufige Einigung mit den deutschen Herrschern, zumal da er Verhandlungen über die Wiedereinsetzung des im thüringischen Altenburg im Exil lebenden Wladislaus versprach, allerdings ohne zu solchen zu erscheinen.
Die Brüder regierten Schlesien bis zum Tode des Seniors Boleslaus IV. (1173), der ihnen Schwierigkeiten bereitete und dadurch Kaiser Friedrich zu erneutem Eingreifen zwang (1172), anscheinend gemeinsam. Bei der danach vorgenommenen Landesteilung fiel mit den Gebieten Breslau, Liegnitz und Oppeln der größte und bedeutendste Anteil an den ältesten der Brüder, Boleslaus I., den Langen (Boleslaw Wysoki, 1168—1201). Verglichen damit nahm sich der Anteil des mittleren Sohnes des Wladislaus, Mieszko (1168—1211), der nur die Gebiete Ratibor und Teschen umfaßte, äußerst bescheiden aus. Dies wohl veranlaßte den neuen Senior, Herzog Kasimir II., den Gerechten (1177—94), Mieszko vom Krakauer Land! Sewerien und die Gebiete Beuthen, Nikolai und Auschwitz abzutreten (um 1178). Das Gleichgewicht zum Herrschaftsgebiet Boleslaus war damit jedoch keineswegs hergestellt, und so war Mieszko von Ratibor auf weiteren Landerwerb bedacht. Die Gelegenheit hierzu bot sich nach dem Tode seines Bruders Boleslaus I. von Breslau. Als Jaroslaus, seit 1198 Bischof von Breslau, im März 1201 und sein Vater Boleslaus I. wenige Monate später (Dez. 1201) gestorben waren, besetzte Mieszko das Oppelner Land. Boleslaus Sohn und Erbe, Heinrich, sah sich gezwungen, nicht nur auf Oppeln zu verzichten, sondern auch darin einzuwilligen, daß zwischen den von Boleslaus I. von Breslau und Mieszko I. von Ratibor ausgehenden Fürstenhäusern kein Erbrecht bestehen sollte (25. 11. 1202). Diese Bestimmung wurde maßgebend für die Sonderentwicklung des später mit dem Namen »Oberschlesien« belegten Landes. Seine Fürsten — auch die Besitzer von Teilgebieten — nannten sich fortan »Herzöge von Oppeln« und verwendeten bis ins 14. Jh. hinein den Namen »Schlesien« überhaupt nicht. Die in Mittel- und Niederschlesien regierenden Piasten hingegen führten den Titel »Herzöge von Schlesien« auch dann noch, als das Land bereits in Teilherzogtümer mit eigenen Namen zerfallen war. Das Jahr 1202 ist für die Geschichte Schlesiens noch aus einem anderen Grunde bedeutsam: damals wurde in Polen mit dem Tode Mieszkos des Alten die Senioratsverfassung endgültig aufgehoben. Damit waren die beiden schlesischen Herzogtümer zu staatsrechtlich unabhängigen Herrschaften geworden, wenn auch durch die verwandtschaftlichen Bande zwischen den Herrscherfamilien und durch die gemeinsame Vergangenheit in zwei Jahrhunderten das Zusammengehörigkeitsbewußtsein aller polnischen Länder noch weiterlebte. Aber der langjährige Aufenthalt der Söhne Wladislaus II. in Deutschland, die vornehmlich nach Deutschland und Böhmen geknüpften Heiratsverbindungen der Fürsten und in deren Gefolge der Zuzug von Adligen und Geistlichen, schließlich die von Westen und Süden an die Grenzen Schlesiens herangeführte deutsche Ostsiedlung mit modernen Wirtschafts-, Sozial- und verfassungsformen bewirkten, daß sich das Land freiwillig der deutschen Kultur und auch den deutschen Siedlern öffnete. Dies schloß nicht aus, daß die Herren Schlesiens sich auch weiterhin in die Angelegenheiten Polens einmischten.
Die überragende und bleibende geschichtliche Leistung Heinrichs I., der bedeutendsten Herrscherpersönlichkeit des schlesischen Mittelalters, liegt jedoch in der entscheidenden Anregung und Förderung der Einwanderung deutscher Siedler, die einen Wandel der inneren Verhältnisse des Landes einleiteten. Zu den ersten Vermittlern westlicher Kulturformen gehörten Romanen, und zwar Wallonen; es sei auf die auf dem Zobtenberg angesetzten Augustiner-Chorherren aus Arrouaise in Flandern (zwischen 1121 und 1188), auf die wallonischen Weber in Breslau (Mitte 12. Jh.?) und Ohlau und auf wallonische Bauern in der Nähe von Breslau, Ohlau und Namslau hingewiesen. In den großen Handelszentren werden sich früh neben romanischen und deutschen auch jüdische Kaufleute niedergelassen haben; in Liegnitz lehnte sich das Judenviertel direkt an die Burg an. Im Gefolge des aus dem thüringischen Exil heimkehrenden Herzogs Boleslaus I. (1163) werden gewiß manche Deutsche nach Schlesien gekommen sein, vielleicht auch schon Mönche aus dem Zisterzienserkloster Pforta, die 1175 einen Stiftungsbrief für das Kloster Leubus an der Oder erhielten. Darin wurde ihnen zugestanden, auf ihren Gütern Deutsche anzusiedeln. Sie haben zumindest seit der Wende zum 13. Jh. von dieser Erlaubnis Gebrauch gemacht. Im ersten Jahrzehnt des 18. Jh. setzte aber auch schon die von Herzog Heinrich I. eingeleitete systematische Ansiedlung von Deutschen ein, die in der Mehrzahl wahrscheinlich aus Mitteldeutschland einwanderten. Die wichtigste Aufgabe, die sich Heinrich I. gestellt hatte, war die Aussetzung neuer bäuerlicher Siedlungen, die zugleich eine Sicherung der Grenzen gewähren sollten. Zunächst ergriff die Gründungswelle den Bereich des Grenzverhaus, der Preseka, dann drang sie nach außen in die Grenzwälder vor. Auf diese Weise entstand in der Regierungszeit Heinrichs I. (1201—38) und seines Sohnes Heinrich II. (1238—41) am Westrand des Landes im Bober-Queis-Gebiet und räumlich anschließend im Südwesten am Gebirgsrand auf Rodungsboden ein breiter Streifen großer deutscher Bauerndörfer, die den Kern für den deutschen Neustamm der Schlesier abgaben. Deutsche Dörfer entstanden auch in Waldinseln innerhalb des slawischen Siedlungsgebietes, so etwa im Dreieck Breslau—Liegnitz—Frankenstein. Die deutsche Besiedlung erfolgte meist auf herzoglichem Boden. Aber der Herzog schenkte für diesen Zweck auch ausgedehnte Ländereien — vor allem in Grenznähe — an geistliche Einrichtungen, die sich um die Kolonisation sehr verdient machten.
Der Mongoleneinfall von 1241 brachte dem schlesischen Lande zwar Verluste bei; sie waren jedoch auf die schmale Durchzugsschneise der Mongolen — etwa im Zuge der Hohen Straße von Krakau über Oppeln—Breslau bis in die Liegnitzer Gegend und dann nach Südosten zur Mährischen Pforte — beschränkt und wurden im Rahmen der unverzüglich weitergeführten Kolonisation ausgeglichen. Die Zeit nach 1241 brachte eine starke Ausweitung der deutschen Siedlung, durchgeführt vor allem mit Menschen aus den älteren deutschen Orten Schlesiens. In Niederschlesien links der Oder rückte die Kolonisation vom Gebirgsrand ins Gebirge selbst hinauf, gefördert besonders von den Herzögen Bernhard von Löwenberg (1278—86) und Bolko I. von Jauer-Löwenberg-Schweidnitz (1278 bis 1801) sowie den Breslauer Bischöfen Thomas I. (1282—68) und Thomas II. (1270—92). Am Ende des 13. Jh. war fast ganz Schlesien von der deutschen oder deutschrechtlichen Siedlung erfaßt; nur wenige Gebiete, vor allem in östlichen Randzonen, waren von ihr unberührt geblieben. Durch die deutsche Siedlung hatte sich das Siedlungsbild Schlesiens nicht nur hinsichtlich der Siedlungsdichte, sondern auch der Siedlungsformen vollkommen geändert. Die deutschen Dörfer waren große, planmäßige Anlagen. Im Gebirge und in seinem Vorland sowie in anderen Waldgebieten fand das sog. Waldhufendorf Verbreitung: ein beiderseits eines Talweges angeordnetes Reihendorf mit etwa 100 m Straßenanteil pro Gehöft und einer unmittelbar hinter dem Hof bergauf anschließenden Feldflur von ca. 2500 m Länge, das Maß einer fränkischen Hufe ergebend. In der Ebene traten das Straßen- und Straßenangerdorf auf, bei denen die Gehöfte dicht nebeneinander zu beiden Seiten einer Straße oder eines länglichen Angers angeordnet waren und die Felder sich auf mehrere »Gewanne« verteilten, die nach der Stellenzahl des Dorfes in schmale Streifen aufgegliedert waren.
Die deutsche und deutschrechtliche Siedlung hatte wirtschaftliche, soziale, rechtliche, verwaltungsmäßige und kirchenorganisatorische Folgen. Die Siedler wurden zu dem ihnen geläufigen deutschen Recht angesetzt und ausdrücklich vom polnischen Recht eximiert. Das bedeutete für sie eine wesentliche Besserstellung gegenüber den nach polnischem Recht wirtschaftenden Bauern. Sie brauchten dem Landesherren (nach einer Anzahl von Freijahren) nur Zinsen in Form von Geld und Getreide abzuliefern, nicht aber die nach polnischem Recht üblichen verschiedenen Abgaben und Dienste zu leisten. Die Zehntleistung an die Kirche erfolgte — nach anfänglichem harten Widerstand seitens der Bischöfe — in der Regel durch Zahlung einer Viertelmark pro Hufe. Die neu eingeführte Dreifelderwirtschaft erbrachte größere Erträge als die frühere Feldgraswirtschaft. Die nahen Städte waren sichere Abnehmer der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und lieferten die benötigten handwerklichen Produkte, Bier und andere Waren, für deren Herstellung und Vertrieb sie das Monopol besaßen. Da die meisten deutschen Dörfer ihre eigene Kirche errichteten, brachte die deutsche Siedlung eine ungeheure Verdichtung des Pfarrnetzes; als Folge dessen wurde das Bistum in die Archidiakonate Breslau, Oppeln, Glogau (1227/ 28) und Liegnitz (1262) aufgeteilt. Die Städte, durch das deutsche Stadtrecht (Magdeburger, von diesem abgeleitet im schlesischen Raum das Löwenberger, Neumarkter, Neisser Recht) mit besonderen Selbstverwaltungsorganen ausgestattet, entwickelten durch Gewerbe, Bergbau und Handel vielfach beachtliche Wirtschaftskräfte, die ihnen die Handhabe gaben, von den häufig finanzschwachen Landesherren eine Erweiterung ihrer Wirtschafts- und Rechtsprivilegien zu erkaufen. Die politische Entwicklung Schlesiens entsprach keineswegs den geschilderten Fortschritten des Landes im Bereich der Wirtschaft, des Rechts und des sozialen Lebens. Heinrichs I. Sohn Heinrich II., der Fromme, konnte das Erbe des Vaters im ganzen noch zusammenhalten, wenn auch manche außerschlesische Besitzungen verlorengingen. Ihm war aber nur eine kurze Regierungszeit beschieden: Auf ihrem Vorstoß nach dem Westen fielen im Jahre 1241 Mongolen von Krakau her nach Schlesien ein und durchzogen das Land, Schrecken verbreitend, bis in die Gegend von Liegnitz. Dort, bei Wahlstatt, stellte sich Heinrich II. mit seinem Kriegsvolk, ferner Johanniter- und Deutschordensrittern sowie groß- und kleinpolnischen Hilfstruppen tapfer dem Feinde: Heinrichs Heer wurde geschlagen, der Herzog verlor sein Leben. Auch die Zerstörungen, die die Mongolen verursacht hatten, werden nicht so katastrophal wie früher angenommen gewesen sein.
1248/51 erfolgte dann eine Erbsonderung: Boleslaus II. begründete das Herzogtum Liegnitz, Konrad I. das Herzogtum Glogau, Heinrich III. behielt — mit Wladislaus, dem späteren Erzbischof von Salzburg, als Mitregenten — Breslau. Schon die nächste Generation teilte die Territorien weiter auf: von Liegnitz spalteten sich die Anteile Löwenberg und Jauer, von Glogau Sagan und Steinau ab, und in der dritten Generation sonderten sich Brieg (von Breslau), Schweidnitz und Münsterberg (von Löwenberg-Jauer) sowie Oels (von Glogau) aus. Gleichzeitig veränderten sich die Grenzen zwischen den einzelnen Territorialkomplexen. — Auch das von Mieszko I. von Ratibor begründete Fürstenhaus, das sich nunmehr nach seiner neuen Residenz Oppeln nannte, blieb von Erbteilungen nicht verschont; nur setzten sie dort eine Generation später ein. Die vier Söhne Wladislaus I. von Oppeln - eines Enkels Mieszkos I. - teilten das Land 1281 in die Teilherzogtümer Oppeln, Cosel-Beuthen, Ratibor und Teschen auf. Auch hier ging die Aufteilung schon in der nächsten Generation weiter: Oppeln zerfiel in die Anteile Oppeln, Falkenberg und Groß Strehlitz, Cosel-Beuthen in Cosel, Beuthen und Tost, Teschen in Teschen und Auschwitz. — Damit war noch keineswegs das Endstadium der Teilungen erreicht; allerdings kam es gelegentlich auch zu erneuten Zusammenlegungen. Die Teilungen waren häufig das Ergebnis heftiger, auch kriegerischer Auseinandersetzungen, an denen neben den unmittelbaren Kontrahenten auch Parteigänger beider Seiten - schlesische wie nichtschlesische - beteiligt waren. Die von außen nach Schlesien einwirkenden Kräfte kamen sowohl aus Polen, zu dem Schlesien noch in lockerer Beziehung stand, als auch aus Böhmen. Ihnen entsprach aber zugleich die Einflußnahme schlesischer Fürsten auf Vorgänge in den Nachbarländern. Vor allem das politisch ebenso zerrissene Polen bot hierzu zahlreiche Anlässe; Teile Groß- und Kleinpolens waren auch in dieser Epoche zeitweise im Besitz schlesischer Fürsten. Aber in zunehmendem Maße liefen die politischen Fäden ebenso nach Prag. Die Regierung Herzog Heinrichs IV. von Breslau (1270—90) wirft ein Schlaglicht auf das Eingebundensein Schlesiens in das Spannungsfeld zwischen Böhmen und Polen. Nach dem Tode seines Vaters Heinrich III. (1266) übernahm dessen Bruder und Mitregent Wladislaus die Regierung in Breslau, da Heinrich IV. erst 8—9 Jahre alt war. Er wurde am Prager Hof erzogen, und 1270 wurde König Ottokar II. von Böhmen sein Vormund. Nach Ottokars Tod erhielt Heinrich nicht - wie erwartet - die Statthalterschaft in Böhmen für den minderjährigen Wenzel (II.), er wurde aber von Rudolf von Habsburg, der ihn auch zum Reichsfürsten machte, mit dem böhmischen Gebiet von Glatz entschädigt.
Schon 1289 hatte Kasimir II. von Cosel-Beuthen die Lehnshoheit Böhmens angenommen, andere Oppelner Fürsten waren 1292 seinem Beispiel gefolgt. Aber erst 1327 unterstellten sich die schlesischen Teilherzogtümer - damals 17 an der Zahl - endgültig unter die seit 1311 im Besitz der Luxemburger befindlichen Krone Böhmens. Die Herzöge der Oppelner Länder und von Breslau (1327), von Liegnitz, Brieg, OeIs, Sagan und Steinau (1329) reichten ihr Land freiwillig Johann von Böhmen zu Lehen auf; unter Druck erreichte der König die Huldigung von Glogau 1331 und von Münsterberg 1336. 1342 einigte sich auch der Bischof von Breslau mit dem böhmischen Herrscher und huldigte ihm für das Bistumsland, das aus der bischöflichen Kastellanei Ottmachau (vor 1155) hervorgegangene Territorium, für das die Bischöfe nach langem Streit 1290 die beschränkte, 1333 die volle Landeshoheit erworben hatten und das sie in jenen Jahren durch den Ankauf von Grottkau zu dem Fürstentum Neisse-Grottkau erweiterten, das ihnen den Titel »Fürstbischof« einbrachte. Nur der mächtige Herzog Bolko II. von Schweidnitz-Jauer, der sich auch außerhalb seiner Herzogtümer einen beachtlichen Besitz aufgebaut hatte, erkannte den böhmischen König nicht als Lehnsherrn an; mit seinem Tode 1368 kam aber sein Land doch unter böhmische Hoheit, da seine Nichte und Erbin Anna Karl IV. von Böhmen geheiratet hatte. Inzwischen hatte König Kasimir III., der Große, von Polen 1335 im Vertrag von Trentschin auf die unter böhmische Lehnshoheit oder unmittelbare Landesherrschaft gestellten schlesischen Gebiete verzichtet. Vergebens versuchte er später, von der Vereinbarung zurückzutreten. Sein Nachfolger, König Ludwig der Große, bestätigte 1372 noch einmal den Verzicht auf alle schlesischen Herzogtümer. Damit waren die letzten politischen Bindungen Schlesiens an Polen gerissen. Bestehen blieb - da der Erzbischof von Gnesen Widerstand leistete und auch die Kurie die ihr aus den polnischen Bistümern zufließenden »Peterspfennig«-Einnahmen nicht geschmälert sehen wollte - die Zugehörigkeit des Bistums Breslau zur polnischen Kirchenprovinz Gnesen, die erst auf Betreiben Preußens 1821 aufgehoben wurde.
Der wichtigste Partner Breslaus im Norden war Thorn, seit dem 15. Jh. Danzig. Entsprechend dem Wunsche der Luxemburger suchte Breslau nach Süden hin über Wien hinaus direkten Kontakt zu Venedig und erreichte ihn trotz Erschwerungen seitens der Österreicher gegen Ende des 14. Jh. Schlesien vermittelte nicht nur fremde Waren, sondern hatte auch eigene Produkte anzubieten; vor allem blühte allenthalben in den Städten die Tuchmacherei, und das Bier von Schweidnitz war ebenfalls geschätzt. König Johann nannte sich 1344 »supremus dux Slezianorum« und umschloß mit diesem Begriff sowohl Niederschlesien als auch Oberschlesien. Schon 1327 hatte sich Bolko II. von Oppeln als Herzog von Schlesien bezeichnet; dies taten im Landfrieden von 1349—51 und fortan immer häufiger auch die anderen Fürsten der Oppelner Länder — vielleicht auf Grund des Schlesien einigenden Bandes der böhmischen Lehnsherrschaft. Karl IV. inkorporierte 1348 die schlesischen Fürstentümer förmlich der Krone Böhmens und bestätigte dies als Kaiser 1355. Die Hoheitsrechte der schlesischen Fürsten blieben allerdings unangetastet; in den Erbfürstentümern vertraten Landeshauptleute den König. Die Zeit der Hussitenkriege und des Ringens um die Krone Böhmens (1419—1526)Die Verbrennung des Johannes Hus in Konstanz im Jahre 1415 löste in Böhmen religiöse und nationale Agitationen aus, die der nachgiebige König Wenzel IV. von Böhmen duldete. Als Wenzel 1419 starb, verweigerten die Tschechen seinem Bruder Sigismund die Anerkennung als neuem König von Böhmen, weil er als Deutscher König Hus trotz erteilten Geleitbriefes hatte hinrichten lassen. Sigismund berief daraufhin 1420 einen Reichstag nach Breslau ein — es war der erste östlich der Elbe abgehaltene Reichstag —und beschloß Maßnahmen gegen die aufständischen Tschechen. Achtzehn schlesische Fürsten huldigten dem König und versprachen Hilfe gegen die Feinde Sigismunds. 1421 fiel ein schlesisches Heer in Böhmen ein. Die Hussiten brachten jedoch den Anhängern des Königs Niederlagen bei und boten die Krone Böhmens zunächst dem polnischen König Wladislaus II. und dann — als dieser ablehnte — Witold von Litauen an. Dieser war grundsätzlich bereit, das Angebot anzunehmen, und schickte seinen Neffen Sigmund Korybut nach Prag. Unter dem Eindruck der ersten Einfälle der Hussiten (seit 1425) kam es 1427 zur Strehlener Einung, einer gegen die Hussiten gerichteten gesamtschlesischen militärischen und politischen Organisation. Aber Schweidnitz blieb abseits, und mehrere oberschlesische Fürsten einigten sich mit den Tschechen auf eine neutrale Haltung. Ab 1427 fielen die Hussiten öfter in Schlesien ein und brannten zahlreiche Städte und Klöster nieder; am verlustreichsten war das Jahr 1428.
Sigismunds Nachfolger als König von Böhmen und Ungarn sowie als Deutscher König wurde dessen Schwiegersohn Albrecht V. von Österreich (als Deutscher König Albrecht II.). Eine Gruppe utraquistischer Tschechen bot jedoch die böhmische Krone dem polnischen König Wladislaus III. an. Auf dessen Vorschlag wurde allerdings Wladislaus‘ jüngerer Bruder Kasimir zum Gegenkönig gewählt. In Prag konnte sich zwar Albrecht durchsetzen; im östlichen Schlesien mußten aber die Herzöge von Auschwitz, Ratibor, Oppeln und Brieg unter militärischem Druck den Jagiellonen Kasimir als König von Böhmen und damit als ihren Lehnsherrn anerkennen. Durch den baldigen Tod Albrechts (1439) änderte sich die Lage erneut: Um die Nachfolge in Ungarn stritten nun Albrechts Witwe Elisabeth für ihren nachgeborenen Sohn Ladislaus und der polnische König Wladislaus III. Polen beanspruchte auch Schlesien und überzog das Land mit Krieg. Die Mehrzahl der schlesischen Fürsten hielt zu Elisabeth; diese war aber nicht in der Lage, dem Land zu helfen. Nach dem Tode Wladislaus III. von Polen in der Schlacht gegen die Türken bei Warna (1444) entspannte sich das Verhältnis Polen—Böhmen; Kasimir IV. von Polen — der einstige böhmische Gegenkönig — zeigte kein Interesse an Böhmen. In Böhmen selbst riß 1448 der Hauptmann von Ostböhmen Georg von Podiebrad die Macht an sich; er erhielt 1452 die Stellung eines Landesverwesers, Böhmen wurde zum Wahlkönigreich erklärt und Ladislaus Posthumus 1453 zum König von Böhmen gewählt. Die Schlesier bekannten sich zum jungen König; allerdings regte sich Widerstand gegen den eigentlichen Machthaber Georg von Podiebrad. Dieser ließ sich nach dem frühen Tode König Ladislaus‘ (1458) von den böhmischen Ständen selbst zum König wählen und belehnte seine Söhne mit den schlesischen Herzogtümern Münsterberg und Troppau (sowie mit Glatz, das auf diese Weise in engere Beziehungen zu Schlesien kam). Tschechischer Einfluß machte sich in Schlesien auch durch die Einsetzung tschechischer Adliger als Landeshauptleute der Erbfürstentümer und in andere Positionen geltend; Tschechisch wurde in weiten Teilen Schlesiens Amtssprache. Die innere Entwicklung Schlesiens während des 15. Jh. war von der von außen hereingetragenen Unsicherheit bestimmt. Die Zersplitternng des Landes und die Machtkämpfe unter rivalisierenden Gliedern der einzelnen Fürstenfamilien hielten auch in der Zeit äußerer Bedrohung an, im Gegenteil: die Einmischung Auswärtiger bot mehr Möglichkeiten zu Parteienbildung. Randgebiete gingen damals Schlesien für immer verloren, manche Territorien kamen in die Hand nichtschlesischer Fürstenhäuser. Im Westen verkaufte Herzog Hans II. das Fürstentum Sagan 1472 an Herzog Albrecht den Beherzten von Sachsen, Schwiegersohn Georgs von Podiebrad; bis 1549 blieb Sagan wettinisch, ohne aus dem schlesischen Territorialverband auszuscheren. Dies geschah hingegen praktisch — da es sich seit etwa Mitte des 16. Jh. nicht mehr an der gesamtschlesischen Steueraufbringung beteiligte — mit dem Fürstentum Crossen, das auf Grund einer Erbschaft seit 1482 dem Kurfürsten von Brandenburg gehörte, bis 1537 nur als Pfand. Das Fürstentum Glogau erhielt 1488 ein unehelicher Sohn des Matthias Corvinns, Johann Corvinus, und nach dem Tode des Matthias nacheinander zwei Brüder des böhmischen Königs, die Jagiellonen Johann Albrecht und Sigismund, die jeweils nach Besteigung des polnischen Königsthrons (1492 bzw. 1506) Glogau wieder an Wladislaus von Böhmen zurückgeben mußten (1496 bzw. 1508). Johann Corvinus konnte dafür vom Tode seines Vaters bis 1501 das Fürstentum Troppau behaupten, das dann ebenfalls an Sigismund von Polen fiel (bis 1511). Der zweite Sohn Georgs von Podiebrad, Heinrich I. von Münsterberg, erwarb nach dem Aussterben der Oelser Piasten (1492) auch noch das Fürstentum Oels (1495).
Durch Wanderung von Bauern von schlechteren Böden auf freigewordene bessere und vom Lande in die stärker unter Bevölkerungsverlusten leidenden Städte entstanden Wüstungen. Die Eisenhämmersiedlung auf der Grundlage von Raseneisenerz in sumpfigen Niederungen setzte bereits in der Mitte des 14. Jh. ein und ging auch über die bäuerliche Wüstungsperiode hinweg bis ins 16. Jh., gelegentlich sogar bis ins 17. Jh. weiter. Die Eisenhämmer breiteten sich links der Oder im Bereich der Niederschlesisch-Lausitzer Heide aus, im rechtsodrigen Schlesien in den feuchten oberschlesischen Waldgebieten, vor allem an den Oberläufen der Flüsse, ferner in Niederschlesien im mittleren Bartschgebiet. Der bergmännische Erzabbau erlebte nach der Krise des 14. Jh. seit den 1470er Jahren auch in Schlesien einen neuen Aufschwung, zunächst durch Belebung des Bergbaus in alten Bergorten der mittleren und östlichen Sudeten sowie im Beuthener Revier, dann im 16. Jh. durch die Gründung neuer Bergbaustädte in diesen Gebieten und auch in den Westsudeten. Als positiv sind die im 15. Jh. erfolgten Ansätze einer schlesischen Gesamtstaatsverfassung zu beurteilen. König Sigismund hatte 1422 einen Landeshauptmann für ganz Schlesien eingesetzt; das war aber eine vorübergehende Einrichtung. Erst Matthias Corvinus schuf ständige gesamtschlesische Institutionen, die ihn auch überdauerten. Der König hatte stets seine Bevollmächtigten in Schlesien, für kurze Zeit »Oberlandeshauptleute«, sonst waren es »Anwälte», teilweise getrennt für Niederschlesien und Oberschlesien (diese Begriffe tauchen in der Mitte des 15. Jh. auf). Die »Fürstentage«, die seit dem Ende des 14. Jh. auf freiwilliger Basis hin und wieder stattgefunden hatten, mußten nunmehr regelmäßig abgehalten werden, mindestens einmal jährlich; auch sie fanden teils in gesamtschlesischem Rahmen, teils für Niederschlesien und Oberschlesien getrennt statt, und zwar unter Beteiligung von Vertretern der Erbfürstentümer. Die Fürstentage beschäftigten sich mit Fragen der Steuererhebung — Steuerforderungen seitens des Oberherrn waren ein Novum! —‚ der Mannschaftsstellung, des Landfriedens und des Münzwesens. Matthias Corvinus verschaffte dem Lande durch seine straffe Organisation mehr Sicherheit, vor allem die innerschlesischen Streitigkeiten wurden stark eingedämmt. Ein Jahr vor seinem Tode beschloß König Wladislaus auf dem Wiener Kongreß von 1515 mit Kaiser Maximilian I. eine Doppelheirat zwischen den beiden Herrscherhäusern, welche die Weichen für die Schaffung des habsburgischen Großreiches im Südosten stellte: Wladislaus Kinder Anna und Ludwig sollten Maximilians Enkel Ferdinand und Maria heiraten. Schon elf Jahre später konnten die Habsburger die Früchte dieses Ehevertrages ernten: nach dem Tode des nur 20jährigen Ludwig II. von Böhmen und Ungarn in der Schlacht bei Mohacs 1526 erbte Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand I., die böhmische und ungarische Krone; Schlesien wurde damit habsburgisch.
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§ 14. Ausgrabungen und Funde zur Frühgeschichte im Gebiet östlich der Elbe(W. La Baume) In Ostdeutschland treten die ersten
Burgen in der Frühen Eisenzeit
(Mitte des letzten Jahrtausends vor Chr.) auf; von ihrer Erforschung
durch Ausgrabungen erwartet die Geschichtsforschung sehr viel,
insbesondere die Völkergeschichte, weil diese Burgen von den Trägern der
Lausitzer Kultur (Illyrer) gegen die von Pommerellen nach Süden
vorrückenden Träger der Gesichtsurnenkultur (Früh-Ostgermanen) errichtet
worden sind. Über die früheisenzeitliche befestigte Siedlung Biskupin im
Kreise Znin (Warthegau) liegt eine umfangreiche Veröffentlichung vor
(Gród prasłowiański Biskupinie ... [Die urslawische Burganlage von
Biskupin], Poznań, Inst. prehist. Uniw. Poznańsk, 4. 145 S.) vor. Darin
werden die Ausgrabungsergebnisse von 1934 bis 1937 durch J.
Kostrzewski und seine
Mitarbeiter bekanntgemacht, wodurch eine frühere Veröffentlichung des
Genannten wesentlich ergänzt wird. Die von einer Holz- Erde-Mauer
umgebene Siedlung auf einer Halbinsel im Biskupiner See ist durch die
ausgezeichnete Erhaltung der Holzhäuser, die in parallelen Reihen an
Bohlwegen liegen, und durch die ebenfalls zum großen Teil erhalten
gebliebene Burgmauer weithin bekanntgeworden, nicht minder auch durch
die zahlreichen Kleinfunde, unter denen sich viele aus organischen
Stoffen bestehende Geräte und andere Gegenstände befinden. Die Siedlung
bestand im 7./6. Jh. vor Chr., war aber nicht »urslawisch«, wie
Kostrzewski und sein Kreis behaupten, sondern illyrisch (in diesem
Zusammenhang ist eine Karte der illyrisch-lausitzischen Burgen, S. 22,
bemerkenswert). Über der früheisenzeitlichen Schicht haben sich
germanische Altertümer (Fibeln u. a.) aus den ersten nachchristlichen
Jahrhunderten, und ganz oben Reste einer mittelalterlich-slawischen
Siedlung gefunden. -- Über den Ausklang der
früheisenzeitlichen
(ostgermanisch-bastarnischen)
Gesichtsurnenkultur im Gebiet der unteren Weichsel herrscht noch
keine völlige Klarheit. W. Heym
<
711> veröffentlicht einige Gräberfelder dieser Kulturgruppe, die
östlich der Weichsel sich in breiter Zone mit der östlich benachbarten
altpreußischen Kultur gemischt hat, wie besonders die Keramik erkennen
läßt. Erstaunlich ist die Mannigfaltigkeit der in den Kreisen Stuhm und
Rosenberg vorkommenden Grabformen der genannten Kulturgruppe. Wenn diese
Friedhöfe sicher schon der Früh- und Mittel-Latène-Zeit angehören, so
ist doch die Annahme des Verf.'s, ein Teil von ihnen sei
spätlatènezeitlich und durch die in dieser Zeit im S.223 Weichselland herrschende Kultur der Burgunden und Wandalen hinsichtlich der Brandgrubensitte beeinflußt, sehr wenig wahrscheinlich; die Bestattungssitte allein kann für die Zeitstellung nicht ausschlaggebend sein, und die Brandgrubensitte ist nicht erst im letzten Jh. vor Chr., sondern viel früher schon nach Ostdeutschland übertragen worden.
Eine sehr gründliche Neubearbeitung der sog.
burgundischen Kultur des
letzten vorchristlichen Jh. zwischen der unteren Oder und unteren
Weichsel verdanken wir D. Bohnsack
<
675>. Der Verf. ergänzt die Bearbeitung der genannten Kulturgruppe
von J. Kostrzewski (1919) durch Aufnahme des gesamten seitdem
hinzugekommenen Fundstoffes und gelangt in den Ergebnissen, die sich auf
die stammeskundliche Ausdeutung dieses Kulturkreises beziehen, in
wesentlichen Punkten über die älteren Bearbeiter hinaus. Nach Bohnsack
sind an der Überwanderung von Nordgermanen um 100 vor Chr. außer den
Bewohnern von Bornholm (= Burgundarholm) auch andere Nordgermanen
beteiligt gewesen (die üblich gewordene Bezeichnung »burgundisch« kann
trotzdem beibehalten werden). Die Kulturgruppe erscheint in der
Spätlatènezeit nicht in Untergruppen gespalten, wie Kossinna und Blume
angenommen haben, sondern ganz einheitlich in Ostpommern, an der unteren
Weichsel bis Wloclawek aufwärts und im Nordteil der Provinz Posen (Karte
S. 101). In Mittelpommern ist dagegen eine frühe Gruppe vorhanden, die
offenbar westgermanische Grundlage hat und erst im Laufe der
Spätlatènezeit von der Kultur der ostpommerschen Burgunden überlagert
wird. Die Abspaltung der Rugier in Pommern erfolgte erst in der
Kaiserzeit. Südlich des Weichselbogens bei Thorn-Bromberg überschneidet
sich die burgundische Kultur etwas mit der wandalischen. Nach Ostpreußen
(östlich von Elbing) sind nur burgundische Einflüsse auf die Kultur der
dort ansässigen Aistier (Altpreußen) ausgestrahlt. -- Die in mehrere
Museen verstreuten Funde aus dem
ostgermanischen Gräberfeld bei Kulm an der Weichsel, das zu den
bedeutendsten Gräberfeldern des Weichsellandes gehört, hat
Łęga zusammengefaßt (Prace
Prehistor. Pomorskie I, Thorn 1938, polnisch mit deutscher
Inhaltsangabe). Die Mehrzahl der Gräber gehört der burgundischen Kultur
des letzten vorchristlichen Jh.'s an. -- Die
burgundischen Funde der
»Römischen Kaiserzeit« aus der
Preußischen Oberlausitz hat H.-A.
Schultz <
676> zusammenfassend behandelt. Es liegen sowohl Gräberfelder mit
Brandgrubengräbern wie Siedlungsstellen vor, die durch die Art der
Bestattung sowie Waffen und Schmucksachen als burgundisch gekennzeichnet
sind; sie gehören vorwiegend dem 3. und 4. Jh. an. Diese Feststellung
widerspricht der bisherigen Annahme, daß die Burgunden die von ihnen
eingenommenen Gebiete in Brandenburg und in der Oberlausitz um die Mitte
des 3. Jh.'s geräumt hätten, da sie bereits im 3. Jh. im Maingebiet
nachgewiesen sind; auf Grund der Bodenfunde muß vielmehr angenommen
werden, daß nur ein Teil der Burgunden im 3. Jh. nach Norden abgewandert
ist, ein anderer Teil dagegen bis ins 4. Jh. in der Oberlausitz ansässig
blieb. Nach 400 sind hier allerdings burgundische Funde nicht mehr
nachweisbar. -- Im Anschluß an die Arbeit von Schultz <
676> versucht K. Olbricht
eine Schätzung davon zu geben, in welcher Stärke die burgundische
Siedlung der Oberlausitz vorzustellen ist (etwa 25_000 auf etwa 1000 qkm
Fläche), und Fr. Lehmann fügt
einen Überblick über die Burgundenfunde der Sächsischen Oberlausitz
hinzu. S.224
Aus dem westgermanischen Gebiet östlich der Elbe brachte das Berichtsjahr zwei wichtige Beiträge zur Siedlungs- und Stammesgeschichte der ersten nachchristlichen Jahrhunderte. Die Fortsetzung der Grabung in der germanischen Siedlung bei Hodorf in Holstein (1.--4. Jh.), über welche Haarnagel berichtet (Nachrichtenbl. f. deutsche Vorzeit 14, S. 19 ff.), zeitigte gute Ergebnisse für die Feststellung der Gehöftanlagen. Es waren Bauernhöfe, die aus einem Haupthaus und mehreren kleinen Gebäuden (Wohnbauten für das Gesinde und Stallungen) bestanden. Ein Speicherbau in Hodorf ist ein Gegenstück zu einem Pfahlbau auf der vorgeschichtlichen Wurt Ezinge in Holland, wodurch die nahe Verwandtschaft der Küstensiedlung bei Hodorf mit den von van Giffen untersuchten holländischen Wurtbauten erwiesen wird. --Kuchenbuch < 721> hat die altmärkisch-osthannoverschen Schalenurnenfelder der spätrömischen Zeit zusammenfassend untersucht. Dem genannten Gebiet ist eine Reihe von Erscheinungen eigentümlich, die in den andern altgermanischen Landschaften nicht die gleiche Verbreitung besitzen. Schalenurnen des 3./4. Jh.'s mit Rädchenverzierung finden sich ausschließlich in der Altmark und in Osthannover; in den andern elbgermanischen Gebieten fehlen sie fast ganz (die rädchenverzierten Urnen der havelländischen Gruppe sind älter, und in Böhmen kommen solche nur an einer Fundstelle vor). Mit dieser Verbreitung deckt sich das hauptsächliche Vorkommen bestimmter Fibelformen. Die Funde des 3./4. Jh.'s zeigen über das ganze Gebiet Osthannovers und der Altmark hin eine großartige Einheitlichkeit, die nur durch die gleiche Stammeszugehörigkeit der Träger dieser Kulturgruppe erklärt werden kann. Nach Ansicht des Verf.'s liegt hier die Hinterlassenschaft der Langobarden vor, die im 1. und 2. Jh. im Bardengau (in den Kreisen Ülzen, Lüneburg und Winsen sowie im Kreis Harburg) ansässig waren und sich dann in die Altmark und nach Osthannover ausbreiteten. Durch den Ausgriff der Besiedlung in die südöstlich benachbarten Landstriche gegen Ende des 2. Jh.'s ergab sich eine Verlagerung des Schwerpunktes der Besiedlung vom Ilmenautal ins Jeetze- und Biesetal. Anfang des 5. Jh.'s erfolgte die Weiterwanderung der Langobarden (wahrscheinlich elbaufwärts) nach Böhmen, Mähren und Niederösterreich. --Westgermanisch ist ein Teil der Waffen, die in der Warnow bei Schwaan in Mecklenburg in erstaunlicher Anzahl bei Baggerarbeiten gefunden wurden und von J. Bekker < 173> beschrieben werden. Den Umstand, daß diese Waffen ganz verschiedenen Jahrhunderten angehören, sucht der Verf. geschichtlich zu deuten. Wahrscheinlich sind diese Funde mit einer uralten Handelsstraße, die in den Schriftquellen via regia genannt wird und für den Zug von Osten nach Westen benutzt wurde, in Verbindung zu bringen. Die Waffen aus dem 12. Jh. könnten auch von einer Schlacht herrühren, die 1160 zwischen den Dänen und Wenden stattgefunden hat. Zur Kenntnis der ostgermanischen
Besiedlung in Pommern und
Westpreußen tragen einige Aufsätze bei, die in der Festschrift
für B. Ehrlich <
230> erschienen sind. So gibt O.
Dibbelt ostgermanische Gräber aus dem Kreise Kolberg-Körlin
bekannt; A. Ruppelt würdigt
kurz die Bedeutung des gotisch-gepidischen Gräberfeldes
Braunswalde-Willenberg bei Marienburg, Westpreußen, das mit seinen fast
3000 Gräbern eines der größten bis jetzt überhaupt bekannten
germanischen Gräberfelder ist; und W.
Neu- S.225 gebauer gibt im Anschluß an neue Funde auf dem Boden der Stadt Elbing eine Übersicht über die gotisch-gepidischen Fundstellen im Kreise Elbing (mit Karte). -- Die verschiedenen Ansichten über die Frage, welchen Weg die Goten auf ihrer Wanderung vom Gebiet der unteren Weichsel nach dem Gestade des Schwarzen Meeres genommen haben, werden von Wachowski < 743> erörtert; er schließt sich der Ansicht des tschechischen Forschers Niederle an, die Goten seien längs der Weichsel und des Bug durch das Stromgebiet des Pripet und durch Polesien gezogen. Dieser Zug sei auf den Handelswegen erfolgt. Das Gebiet, durch das die Goten zogen, sei nicht von Germanen (Wandalen) besiedelt gewesen, wie die deutschen Vorgeschichtsforscher annehmen, sondern von den Wenedern, die nach Ansicht des Verf.'s Slawen waren. Auf die von den Goten benutzten Handelswege weisen nach dem Verf. auch die zahlreichen Münzschätze des 2. und 3. Jh.'s hin, die in zwei großen Gruppen, die eine im Bezirk von Kiew und Czernichow, die andere in Wolhynien am Oberlauf des Horyn und des Styr auftreten. -- Auf dem bedeutenden ostgermanischen Friedhof bei Schönwarling Krs. Danziger Höhe, der durch 7 Jahrhunderte ohne Unterbrechung belegt worden ist, haben neue Ausgrabungen des Danziger Museums für Vorgeschichte stattgefunden, deren Ergebnisse R. Schindler (Weichselland 1938, Heft 3) bekanntgegeben hat; darunter befindet sich ein reich ausgestattetes gotisches Frauengrab mit erstmalig beobachteten Schmucksachen. -- Über die germanische Zeit Böhmens gibt Preidel < 745> eine dankenswerte Übersicht, in welcher zwar die Bodenfunde im Vordergrund stehen, jedoch auch die geschichtlichen Quellen weitgehend herangezogen werden. Germanische Funde sind im nördlichen Böhmen schon seit dem 3. Jh. vor Chr. vorhanden, wenn es auch noch unklar ist, welchem Stamm diese zuzuschreiben sind. Nach der vorübergehend keltischen Besiedlung Böhmens während des letzten vorchristlichen Jh.'s wurde das Land markomannisch und bleibt es bis zum 5. Jh., obwohl Teile der Markomannen abwanderten. Noch sehr unklar sind die Besiedlungsverhältnisse im 5. Jh., in welchem mit der Zuwanderung anderer Germanenstämme zu rechnen ist; in Frage kommen Baiwaren, Thüringer und Langobarden, auch ist mit der Ausbreitung des ostgotischen Herrschaftsbereiches über Böhmen zu rechnen. -- Von Nordböhmen wurde bisher angenommen, es sei in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten siedlungsarm oder gar unbesiedelt gewesen. Diese Anschauung wird widerlegt durch die Entdeckung eines umfangreichen Gräberfeldes bei Prestowitz in der Gegend von Strakonitz. Das Fundinventar, das von Dubský < 741> veröffentlicht wird (unter besonderer Berücksichtigung der Tonware), erweist, daß bei Prestowitz eine ansehnliche germanische Siedlung bestanden hat, die im letzten Drittel des 2. Jh.'s begonnen und bis in die 1. Hälfte des 5. Jh.'s gedauert hat. Der Fundstoff zeigt so viel Besonderheiten, daß der Verf. ihn zum Anlaß nimmt, eine Prestowitzer Stufe als Zeit- und Kulturgruppe aufzustellen, die nach seiner Ansicht ein selbständiges Glied innerhalb der »provinzialrömischen« Kultur Böhmens bildet. Die Veröffentlichung von Dubský bedeutet eine willkommene Erweiterung unserer Kenntnis von der germanischen Besiedlung Böhmens.
Das auf sehr breiter Grundlage angelegte Buch von
Moora <
712>, das die Eisenzeit in
Lettland bis etwa 500 nach Chr. behandelt, ist eine grundlegende
Arbeit über die ostbaltische Kultur der nachchristlichen Jahrhunderte
S.226 und als solche auch für das benachbarte ostpreußische Gebiet von großer Bedeutung. Denn die altpreußische Kulturgruppe ist der ostbaltischen (litauischen und lettischen) sehr nahe verwandt und hat selbst mit der estischfinnischen Kultur der Eisenzeit viele Berührungspunkte. Die memelländische Kultur, die mit der südwestbaltischen einen Kulturkreis bildet, wird vom Verf. ausführlich in den Kreis der Betrachtung gezogen. Die zahlreichen und starken Einflüsse der ostgermanischen Kultur des Weichsellandes auf das Ostbaltikum werden von Moora anerkannt, jedoch wird vom Verf. mit Recht betont, daß eine germanische Besiedlung für die Zeit bis 500 nach Chr. (die spätere Zeit behandelt sein Buch nicht) im Ostbaltikum nicht in Frage kommt.
Eine von E. Petersen < 673> gegebene Übersicht über das Schrifttum zur germanischen Frühzeit des Ostens ist vor allem deshalb sehr verdienstlich, weil sie den Inhalt polnischer Veröffentlichungen über vor- und frühgeschichtliche Untersuchungen wiedergibt; sie erstreckt sich über die Zeit von dem ersten Auftreten der Ostgermanen in der Frühen Eisenzeit bis zum Frühen MA. Unter den frühgermanischen Funden aus Ostpolen sind einige deshalb bemerkenswert, weil sie die Brücke schlagen zu Funden der gleichen Kultur in der Ukraine und so die Annahme bestätigen, daß die Bastarnen die Träger der Gesichtsurnenkultur waren. Bei der Besprechung polnischer Arbeiten, die sich mit der Lausitzer Kultur der Frühen Eisenzeit beschäftigen, verweist Petersen erneut auf die verfehlten Versuche der polnischen Forschung, diese Gruppe, in welche u. a. die befestigte Siedlung Biskupin gehört (siehe oben), als urslawisch in Anspruch zu nehmen. Durch mehrere Arbeiten über germanische Funde der ersten nachchristlichen Jahrhunderte in Polen wird unsere Kenntnis der Ausbreitung der Goten wesentlich ergänzt; Petersen erwähnt bei ihrer Aufzählung auch die römischen Einfuhrwaren, deren Auftreten für die Frage des vorgeschichtlichen Handels und der Verkehrsstraßen von großer Bedeutung ist. Ausführlich setzt sich der Verf. mit einer Arbeit von Kozlowski auseinander, worin dieser nachzuweisen versucht, die von den deutschen Forschern als wandalisch angesehene Kultur sei die der Weneder der alten Geschichtsquellen gewesen; Wandalen oder Wandilier sei ein Sammelname für Goten, Burgunder, Rugier u. a. gewesen, und die Weneder (einschl. Lugier und Silingen) waren nach Kozlowski Slawen. Demgegenüber betont Petersen den zweifellos germanischen Charakter der wandalischen Kultur in Ostdeutschland und Polen. Petersens Zusammenfassung bringt schließlich Hinweise auf deutsche und polnische Arbeiten über Funde des 6. und 7. Jh.'s, die teils die Fortdauer der ostgermanischen Kultur bis in diese Zeit, teils deren Überschneidung mit den ersten Anzeichen der frühslawischen Kultur erkennen lassen, wie z. B. Tonware aus einigen schlesischen Burgwällen, die nach P. dem 7. und 8. Jh. angehört. -- Für die Beurteilung des germanischen Kunstgewerbes der Völkerwanderungszeit ist eine stilgeschichtliche Untersuchung von Forssander < 723> wichtig, deren Inhalt bereits im Jahresbericht für 1937, S. 236 wiedergegeben wurde. Die Kenntnis der
mittelalterlich-slawischen Kultur Ostdeutschlands ist durch
einige Untersuchungen deutscher Forscher gefördert worden. So hat H. A.
Knorr <
192> die slawischen Messerscheidenbeschläge bearbeitet, die in den
Grabfunden eine große Rolle spielen. Obwohl bei den mittelalterlichen
Slawen das Messer sehr häufig als Grabbeigabe bei S.227 Männer- wie Frauengräbern auftritt, gibt es Messerscheidenbeschläge ausschließlich im Gebiet der Küstenslawen (Obotriten, Wilzen, Pomoranen und einem Teil der Polanen), die sich durch eine höher entwickelte Kultur von den binnenländischen Slawen unterscheiden. Zur Feststellung des slawischen Ostseekulturkreises sind daher die Messerscheidenbeschläge, die Knorr zum Gegenstand seiner umfassenden Untersuchung gemacht hat, sehr geeignet. Nach dem genannten Verf. gehören alle diese Beschläge in die spätslawische Zeit (11./12. Jh.). Für die Bodenforschung, die sich mit den frühmittelalterlichen Altertümern beschäftigt, ist daher die Arbeit von Knorr eine wichtige Grundlage, um so mehr, als der Verf. seine Untersuchungen auch auf die benachbarte ostbaltische Kultur ausgedehnt hat. Er nimmt an, daß sich die Sitte der Messerscheidenbeschläge vom ostbaltischen Gebiet her auf das Land der Küstenslawen in Ostdeutschland ausgedehnt hat; die Beschläge lassen im slawischen Gebiet eine Eigenentwicklung erkennen und zeigen gleichzeitig die starken Beziehungen der Küstenvölker untereinander. -- Daß die gründliche Untersuchung der frühmittelalterlichen Tonware für die Beurteilung der geschichtlichen Vorgänge unerläßlich ist, hat sich bei der in letzter Zeit mehrfach mit bestem Erfolge angewandten Zusammenarbeit zwischen Bodenforschung und Geschichtswissenschaft erwiesen. Im Rahmen dieser gemeinsamen Untersuchungen ist es daher sehr zu begrüßen, daß es Hucke < 191> unternommen hat, die slawische Tonware aus der Landschaft Wagrien zusammenfassend zu bearbeiten und zur Grundlage der Feststellung slawischer Besiedlung dieser Landschaft zu machen. Danach kann die älteste slawische Tonware nicht vor dem 9. Jh. in Wagrien (Ostholstein) angesetzt werden (Gruppe I); die jüngste Gruppe (III) gehört der Zeit um 1100 an. Die Besiedlung Ostholsteins durch die Slawen ist somit nicht vor 800 nachweisbar; sie ist anscheinend im Laufe des 8. Jh.'s ganz allmählich vor sich gegangen. Für die Siedlungsgeschichte der Altslawen in Wagrien wurden vom Verf. außer den Bodenfunden auch die schriftlichen Quellen, die Ortsnamenforschung und die siedlungsgeographischen Tatsachen herangezogen; ferner sind vom Verf. auch die Hacksilberfunde aus Wagrien und die aus diesem Gebiet stammenden Wikingerfunde mit berücksichtigt worden. Von den Einzelergebnissen sei hervorgehoben, daß nach Ansicht des Verf.'s auch die jüngste slawische Tonware in Ostholstein Handarbeit (also nicht Drehscheibenarbeit) ist und die Tonware der Mittelstufe starke Einflüsse aus dem nordischen Gebiet erkennen läßt. -- Für die Geschichte des Frühen MA.'s kann aus den Silberhortfunden mancherlei erschlossen werden, besonders da diese vielfach Münzen enthalten, die eine genaue Datierung ermöglichen. Zum mindesten für die Handelsgeschichte, aber auch für die politische Geschichte sind solche Funde wichtig. Eine kritisch gesichtete Zusammenstellung der aus Westpreußen bis jetzt bekannten Silberhortfunde wurde von La Baume < 166> veröffentlicht. Diese beginnen im 9. Jh.; die größte Zahl gehört dem 11. Jh. an, nur wenige Funde stammen aus dem 12. Jh. Während die Silberhortfunde des westslawischen Gebietes mannigfach zusammengesetzt sind, fehlt das Hacksilber z. B. im altpreußischen Gebiet ganz, obwohl dort ebenfalls frühmittelalterliche Hortfunde aus Silber vorkommen.
Über größere Grabungen auf
ostdeutschen Burgwällen des Frühen MA.'s ist im abgelaufenen Jahr
nicht berichtet worden. In Ostpreu- S.228 ßen hat sich bei Probegrabungen auf der Schwedenschanze bei Kringitten im Samland nach C. Engel (Elbinger Jahrb. 15, S. 156ff.) ergeben, daß es sich um eine wahrscheinlich nur kurze Zeit benutzte Fliehburg von ungewöhnlich einfacher Art handelt, die wahrscheinlich in der Ordenszeit zerstört worden ist; die Wallanlage (mit Holz-Erde-Mauer) zeigt zwei Bauzeiten. -- Daß sich die Reste von zwei Pfahlbrücken, die vom Ufer eines Sees zu einer frühma.lichen altpreußischen Burg auf einer Insel hinführten, bis heute erhalten haben, ist ein seltener Fall; er liegt vor in Klein-Ludwigsburg, Kr. Rosenberg, Westpr. Die Brücken, die von W. La Baume (Elbinger Jahrbuch 15, S. 147 ff.) beschrieben werden, haben, wie die Burg, die noch nicht durch Ausgrabung untersucht ist, während des 11./12. Jh.'s bestanden; die Pfähle, welche die Brücken trugen, sind schon vor langer Zeit zum Vorschein gekommen, als man den See, in dem die Inselburg liegt, abließ. -- In Anbetracht der großen Bedeutung, welche die Burgwallanlagen des Frühen MA. für die Geschichte des altpreußischen Landes haben, ist es erfreulich, daß H. Crome ein Verzeichnis der alten Wehranlagen Ostpreußens veröffentlicht hat < 1551>, das, mit Hinweisen auf Schrifttumsangaben versehen, ein willkommenes Hilfsmittel für die Forschung darstellt.
Eine großzügig angelegte Geschichte der Wikinger mit vielen neuen Gesichtspunkten und Anregungen verdanken wir O. Scheel < 803>. Der Untertitel: »Aufbruch des Nordens« zeigt, wie der Verf. die nordgermanischen Bewegungen, d. h. nicht nur die der eigentlichen Wikingerzeit, sondern auch die vorausgehenden der Römerzeit und der Völkerwanderungszeit auffaßt: als weltgeschichtliche Leistung der Germanen, die Anlieger des »nördlichen Mittelmeeres« (Nord- und Ostsee) waren. So gesehen ist die germanische Völkerwanderung und die Wikingerbewegung dem Wesen und den Auswirkungen nach dasselbe. Dementsprechend bezieht Scheel den Kampf der Küstengermanen gegen die Römer, den Krieg der Sachsen gegen die römische Seeflanke sowie die angelsächsische Eroberung und Landnahme in Britannien in den Kreis seiner Betrachtungen ein. Nach der Erörterung der Ursachen der nordischen Bewegung werden die mit den Wikingerzügen in fast allen Teilen Europas im Zusammenhang stehenden geschichtlichen Ereignisse geschildert, immer mit dem Blickpunkt vom Norden her und mit der Absicht, sie aus der Welt des Nordens zu begreifen. Scheels Wikingerbuch im ganzen zu würdigen, ist hier nicht die Aufgabe des Berichterstatters; es sei an dieser Stelle nur hervorgehoben, daß der Verf. weitgehend die Ergebnisse der Bodenforschung als Grundlagen für Schlüsse geschichtlicher Bedeutung herangezogen hat, was ihm besonders die Archäologen danken werden. Wie im einzelnen bei der Untersuchung frühgeschichtlicher Ansiedlungen durch planmäßige Ausgrabung -- es sei in diesem Zusammenhang nur an Birka, Haithabu, Wollin, Truso-Elbing und Grobin erinnert --, so zeigt sich auch in einer Überschau zur Wikingergeschichte, wie sie in Scheels Buch vorliegt, der große Wert gemeinsamen Vorgehens benachbarter Forschungszweige, die mit verschiedenen Arbeitsweisen die gleichen geschichtlichen Probleme anpacken. -- Die Darstellung des geschichtlichen Ablaufes im Bereich der Nord- und Ostsee von der Zeit um Chr. Geb. bis zum MA. ist der Inhalt eines von Scheel < 744> in Riga vor dem Historikerkongreß gehaltenen Vortrages. In Schleswig-Holstein
standen, wie in den Vorjahren, die Ausgrabungen S.229 am Danewerk und in Haithabu im Vordergrunde der archäologischen Forschung. Die Ausgrabungen am Danewerk, deren Ergebnisse Haseloff < 172> vorlegt, haben wesentliche neue Erkenntnisse geliefert. Grundlage für die Zeitbestimmung der einzelnen Wälle und Mauern bildet ihre Lage zu den beiden Siedlungen Schleswig und Haithabu. Sophus Müller, der die Stadt Schleswig auf dem Nordufer der Schlei als das alte Sliaswig aus dem Anfang des 9. Jh.'s, die Stadt Haithabu dagegen als eine jüngere Gründung angesehen hatte, erklärte demzufolge den Nord- und Hauptwall des Danewerkes für die Anlage Göttriks vom Jahre 808, dagegen den Verbindungswall und den Kograben für ein Werk von Harald Blauzahn bzw. für eine ma.liche Befestigung. Nachdem durch die Grabungen des Kieler Museums erwiesen war, daß das alte Sliaswig auf dem Südufer der Schlei gelegen hat und mit der Stadt Haithabu gleichbedeutend ist, sowie ferner, daß Haithabu bis in das frühe 9. Jh. zurückreicht, entstand eine neue Problemstellung um das Danewerk, deren Lösung nur durch genaue Kenntnis der einzelnen Anlagen und somit durch Ausgrabungen erzielt werden konnte. In Ergänzung der schon 1935 durch Jankuhn veröffentlichten Ergebnisse der Grabung am Stadtwall und am Kograben legt Haseloff < 172> nun die Ergebnisse seiner Grabungen am Hauptwall des Danewerkes und am Krummen Wall vor. Der Hauptwall des Danewerkes besteht danach aus einem älteren Erdwallkern (Bauzeiten 1--4), einer davorgelegenen Feldsteinmauer (Bauzeiten 5--7), und aus der Ziegelsteinmauer König Waldemars (Bauzeit 8); darüber liegen dänische Schanzanlagen des 19. Jh.'s (Bauzeit 9). Die älteren Anlagen 1--4 zeigen das Verteidigungsprinzip des Holzerdewalles mit hölzerner Front und dicht davorliegendem Graben. In den Bauzeiten 1--3 sind Umbauten zur Verstärkung der Befestigungsanlagen ausgeführt worden; der 4. Wall ist eine Erneuerung, die durch eine Absturzkatastrophe nötig wurde. In der 5. Bauzeit wurde eine Feldsteinmauer vor die Front des 4. Walles gelegt, die, mit Lehm gefugt, der Witterung nicht standhielt; daher wurde in der 6. Bauzeit die Bauart abgeändert (Aufschüttung hinter der Mauer, Wehrgang auf der Krone des Walles). Nach erneutem Absturz wurde die Steinmauer mit Erdreich überschüttet (Bauzeit 7). Nach diesen Erfahrungen über die Unzulänglichkeit der vorherigen Bauten scheint sich König Waldemar d. Gr. zu der eben im Norden auftauchenden Kunst des Ziegelbaues entschlossen zu haben, und zwar wurde die Ziegelmauer unmittelbar vor der Front des letzten Baues errichtet (Bauzeit 8). Haseloff gibt eine ausführliche Beschreibung des Ausgrabungsbefundes und unter Mitwirkung von M. Rudolph eine Rekonstruktion der Waldemarsmauer samt ihrem Wehrgang, wobei er sich auch auf die von Chronisten des 17. und 18. Jh.'s überlieferten Mitteilungen über den damaligen Zustand der Mauer stützt. Die Bedeutung ihres Schöpfers Waldemar liegt nicht so sehr in der Einführung des Ziegelbaues im Norden als vielmehr in der Übertragung dieser Bauart auf den Wehrbau. Die Ergebnisse der neuen Grabung am Danewerk haben gezeigt, daß die von Sophus Müller und C. Neergaard aufgestellten Datierungen unhaltbar sind. Grundlage für die neue Chronologie der Wälle ist die Altersbestimmung der Stadt Haithabu und ihres Verhältnisses zu Schleswig; außerdem die Typologie der Wälle. Die Bautätigkeit Göttriks aus dem Jahre 808 und die Errichtung der Waldemarsmauer zwischen 1151 und 1182 sind die Eckpfeiler, zwischen die sich die einzelnen Anlagen einordnen müssen.S.230 Von den Wällen des Danewerkes kann nur der Kograben als Göttrikswall angesehen werden; damit stimmt überein, daß dieser als verhältnismäßig kleine Wallanlage mit Spitzgraben den typologisch ältesten Wallzug des Danewerkes darstellt. Dagegen ist der Hauptwall des Danewerkes so gerichtet, daß er Haithabu aus der Verteidigungslinie ausschließt; er kann nur in einer Zeit entstanden sein, als sich Haithabu nicht mehr in dänischer Hand befand (zwischen dem Ende des 9. Jh.'s und 1025). Die typologische Einordnung läßt erkennen, daß der Hauptwall zu der späteren Gruppe von Wällen gehört, die vom Spitzgraben zum Sohlgraben übergegangen sind. Er muß später als der Kograben sein; seine Entstehung kann nur in das 10. Jh. fallen, wofür die historischen Nachrichten den Namen der Königin Tyra als Bauherrin überliefern. Am wahrscheinlichsten ist die Zeit zwischen 935 und 950. Die Feldsteinmauer ist wahrscheinlich um 1100 entstanden; als ihr Erbauer ist Knud Laward anzunehmen, denn die Technik dieser Mauer weist auf westdeutschen Einfluß hin und Knud Laward war für deutsches Wesen sehr eingenommen. Der Erbauer der Waldemarsmauer war sein Sohn. -- Unter den Ergebnissen der Ausgrabungen von 1937 in Haithabu ist nach einer Mitteilung von Jankuhn (Nachrichtenbl. f. deutsche Vorzeit 14, S. 26 ff.) die Auffindung einer 17 m langen Halle bemerkenswert, die dem 9. Jh. angehört. Die in der Niederung des Bachbettes abgedeckte Fläche von 1500 qm hat Aufschlüsse über die Stadtplanung ergeben. -- In einem auf dem Historikerkongreß in Riga gehaltenen Vortrage befaßt sich Jankuhn < 174> mit dem Problem, wie die Vielheit der Namen zu erklären ist, die für die ma.'liche Stadt an der Schlei überliefert sind (Sliesthorp in den Fränk. Annalen Anfang des 9. Jh.'s; Sliasvich bei Rimbart Mitte des 9. Jh.'s; Haethum in angelsächsischen Quellen Ende des 9. Jh.'s, und Haithabu auf Runensteinen des 10. Jh.'s). Dieses Problem hängt aufs engste mit der Frage, wann die Siedlung in Haithabu beginnt, zusammen. Die schriftliche Überlieferung sagt darüber nichts Bestimmtes aus; wohl aber ergibt die archäologische Untersuchung sichere Anhaltspunkte. Einige in Haithabu gefundene Schmucksachen berechtigen zu der Annahme, daß bereits vor dem Eindringen der schwedischen Dynastie eine Siedlung innerhalb des Halbkreiswalles bestand. Auch unter den Tongefäßen sind solche enthalten, die ins 9. Jh. zu setzen sind, und zwar gilt dies nicht nur für eine, sondern für drei Keramikgruppen verschiedener Herkunft. Haithabu muß daher bald nach 800 besiedelt worden sein. Daß in so früher Zeit oder etwas später eine zweite Stadtsiedlung nicht weit davon nördlich der Schlei gelegen haben könnte, ist nicht wahrscheinlich und läßt sich auch durch Bodenfunde aus dem Untergrund von Schleswig nicht beweisen. Da anderseits die Siedlung im Halbkreiswall mehrere Jh. (bis Mitte des 11. Jh.'s) bestanden haben muß, wie die Funde beweisen, so sind offenbar verschiedene Namen für dieselbe Ansiedlung gebraucht worden und bedeuten nicht verschiedene Siedlungsplätze. Eine Umlegung nach dem Nordufer der Schlei hat wahrscheinlich erst gegen 1050 stattgefunden. Für das Auftreten verschiedener Namen hat Ethelwerd eine einleuchtende Erklärung gegeben: Schleswig (Sliasvich) war die bei den Sachsen übliche Bezeichnung, Haithabu die von den Dänen gebrauchte. Die Mehrnamigkeit geht also offenbar auf zwei volkstumsmäßig voneinander geschiedene Siedlergruppen zurück, was sich auch im Fundmaterial ausdrückt. -- In Süderbrarup in Angeln untersuchte Fr. Tischler Kammergräber desS.231 9./10. Jh.'s, worüber er im Nachrichtenblatt f. deutsche Vorzeit 14, S. 25 ff. berichtet. Dort fanden sich als etwas Neues für Schleswig-Holstein Kriegergräber mit Pferdebestattungen in Holzkammern, die wahrscheinlich Wikingern zuzuschreiben sind. -- Auf die große Zahl und Bedeutung der Wikingerfunde im Oder- und Weichselland ist in den letzten Jahren wiederholt von der Vorgeschichtsforschung hingewiesen worden. Jänichen < 804> hat sie noch einmal zusammengestellt und geht dem Problem der Wikingerzeit in Ostdeutschland in größerem Rahmen nach. Die Untersuchung der wikingischen Ortsnamen im Weichsel- und Oderland ergibt folgendes: Es gab im genannten Gebiet einige Familien, die skandinavische Personennamen führten; ferner treten in der Nähe der Ostseeküste Ortsnamen nordischer Herkunft auf, die mit der Schiffahrt zusammenhängen, und das Vorhandensein der Waräger ist im ganzen Gebiet durch die Wareng-Orte zu erschließen. Der Einfluß der Wikinger auf die Westslawen ist auf sprachlichem, wirtschaftlichem, religiösem und technischem Gebiet (Schiffbau, Waffen) deutlich erkennbar. Das altnordische Schrifttum ist für die Kenntnis der wendischwikingischen Beziehungen wenig ergiebig, wenn auch die Jomswikingersage einiges darüber bringt. Ausführlich beschäftigt sich der Verf. mit den westslawischen Geschlechtern (polnisch-normannischen Familien, Piasten, Abodriten- und Pommern-Fürsten) und Einzelpersonen skandinavischer Herkunft; ferner wird die polnische Sage und die Wilzen-Sage auszuwerten versucht. Für die Herrscher von Polen, die Piasten, und für die Abodritenfürsten läßt sich nach dem Verf. ziemlich sicher nordische Herkunft nachweisen; für die Pommernfürsten muß nach Jänischen die Herkunftsfrage noch offen bleiben. Daß im einzelnen die Ausführungen des Verf.'s vielfach unkritisch und willkürlich sind, ist schon von Bollnow in einer Besprechung der Arbeit von Jänichen (Balt. Studien 40, S. 380) betont worden.
In der ma.lichen Stadtsiedlung
Wollin sind die Untersuchungen durch Ausgrabung auch im
Berichtsjahr fortgesetzt worden. K. A.
Wilde (Das Bollwerk 9, S. 216 ff.) gibt in Form eines Rundganges
durch die alte Siedlung an der Dievenow eine Übersicht über die Sachlage.
Über den Stand der Grabungen vom Herbst 1937 hat O.
Kunkel berichtet (Das Bollwerk
9, S. 19 ff., und Kolberg-Körliner Heimatkalender 14, S. 64 ff.). -- Zu
den wichtigsten Ergebnissen der Bodenforschung in Ostpreußen gehört die
Entdeckung eines Wikingerfriedhofes
bei der Stadt Elbing. Denn, wie
Ehrlich <
2437> in einem Vortrage auf dem Historikerkongreß in Riga mitgeteilt
hat, bestätigt die Auffindung von zahlreichen Gräbern -- bis jetzt nur
Frauengräbern -- mit typisch nordgermanischen Beigaben die schon lange
gehegte Vermutung, daß der in einer ma.lichen Quelle genannte Ort
Truso, dessen Name heute noch
als Drausensee weiterlebt, ein wichtiger Handelsplatz war, an dem sich
auch Wikinger niedergelassen haben. Dies muß schon im 8. Jh. geschehen
sein, da die ältesten Gräber in diese Zeit zu setzen sind, jedoch ist
der Wikingerfriedhof bei Elbing noch im 9. und 10. Jh. belegt worden.
Weisen die älteren Gräber deutlich auf Gotland hin, so die jüngeren auf
Mittelschweden; die Ablösung von Funden gotländischer Herkunft durch
solche aus Mittelschweden läßt also auf eine Verschiebung in der
Wikingerbewegung an der südlichen Ostsee schließen. Für die Annahme
einer bedeutsamen Ansiedlung am Fuße der Elbinger Höhe und am Rande des
Weichsel-Nogataltpreußische S.232 Deltas, wo sich wichtige Handelsstraßen kreuzten und eines der Haupteinfallstore nach Altpreußen hinein befand, spricht auch der Umstand, daß im Stadtgebiet von Elbing ein großes altpreußisches Gräberfeld und auch eine Siedlung liegen, ferner, daß auf dem bisher nur teilweise untersuchten altpreußischen Friedhof zahlreiche, mit vielen und reichen Beigaben ausgestattete Reitergräber gefunden worden sind. -- Die in den Vorjahren durchgeführten Ausgrabungen auf der sächsischen Stellerburg bei Heide in Holstein wurden durch Haseloff zum vorläufigen Abschluß gebracht (Nachrichtenbl. f. deutsche Vorzeit 14, S. 20 ff.). Als wichtigstes Ergebnis ist die Entdeckung eines zweiten Tores und eines durch dieses hindurchführenden, ausgezeichnet erhaltenen Bohlweges zu nennen. Ferner ergab die Flächenaufdeckung zu den bisher bekannten 7 Häusern 15 weitere Hausgrundrisse. Dank den besonderen Bodenverhältnissen sind in der Stellerburg Hausreste des 9. und 10. Jh.'s so gut erhalten, daß die Hausbauten in allen Einzelheiten rekonstruiert werden konnten, worüber M. Rudolph berichtet hat (Nachrichtenbl. f. deutsche Vorzeit 14, S. 22 ff.). Es sind zwei Gruppen von Häusern mit verschiedenem Aufbau erkennbar: reine Holzbauten (Bohlen- und Stabbauhäuser) mit Eingang an der Langseite, und Häuser in Flechtwerktechnik mit Eingang an der Giebelseite. Die beiden so gegensätzlichen Hausgruppen scheinen zwei Bauperioden und zwei verschiedenen Besiedlungen anzugehören, wodurch für die Geschichte der Stellerburg eine neue Problemstellung gegeben ist. -- Daß die Burgenforschung in Schleswig- Holstein seit 1930 sich als eine sehr wichtige Ergänzung der auf Grund der siedlungsarchäologischen Methode gewonnenen Erkenntnisse der Stammesgebiete erwiesen hat und somit für die Bevölkerungsgeschichte und politische Geschichte besonders wertvoll ist, wird von Jankuhn (Nachrichtenbl. f. deutsche Vorzeit 14, S. 28 f.) an einem Beispiel dargelegt. -- Daß die Feststellung der vor- und frühgeschichtlichen Wege von großer Bedeutung für die Geschichtsforschung ist, bedarf keiner Begründung. In Westholstein hat K. Kersten, wie er in seinem Bericht über die Denkmalspflege im genannten Gebiet mitteilt (Nachrichtenbl. f. deutsche Vorzeit 14, S. 3 ff.), den Verlauf der frühgeschichtlichen Hauptwege (Heerwege) festgestellt, die auf einer Karte zur Darstellung gebracht sind. Es ist ein östlicher und ein westlicher Hauptweg zu erkennen, die beide vorwiegend auf der Wasserscheide entlang geführt sind. Weiter ist von großer Wichtigkeit die Feststellung des Verf.'s, daß die sächsischen Wehranlagen ohne Ausnahme an solchen Stellen lagen, wo die großen Heerwege die natürliche Grenze der hohen westholsteinschen Geestlandschaft überschreiten und auf die umgebenden flachen Sandergebiete übergehen, oder an solchen Stellen, wo natürliche Wasserstraßen einen Eintritt in das Land gestatten; sie waren offensichtlich gegen drei Fronten angelegt: die nach Westen und Norden gelegenen gegen die Wikinger, die nach Osten gerichteten gegen die Slawen und die gegen Süden gewandten gegen die Franken. Daß die Anlage der frühgeschichtlichen Burgen und Landwehren und der Verlauf der Heerwege sich gegenseitig bedingen, wird durch diese Feststellungen erwiesen. Es ist damit eine neue Methode zur Erforschung der militärischen und politischen Bedeutung frügeschichtlicher Wehranlagen beschritten worden, die geeignet ist, geschichtliche Vorgänge, über die nur dürftige oder gar keine geschriebenen Berichte vorliegen, aufzuhellen. |
Vandalen (Wandalen)
Stamm, dessen Kern aus Nordjütland stammt. Das Volk zog über die Weichselmündung
nach Schlesien und teilte sich (21. Jahrhundert n. Chr.). Ein Teil siedelte im
nördlichen Balkanraum. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. zogen die Vandalen
mit anderen Stämmen über Gallien nach Spanien. 429 n. chr. setzten sie nach
Nordafrika über und gründeten dort ein Reich, das 534 n. Chr. unterging.
Vandilier (Wandilier)
im 1. Jahrhundert n. Chr. eine Gruppe von östlichen Germanenstämmen. Der Name
wurde anscheinend von den Vandalen übernommen.
Vanen (Wanen)
Die Wanen (anord. Vanir: "die Glänzenden") sind in der germanischen Mythologie
neben den Asen eines der beiden Göttergeschlechter. Sie wohnen in Wanaheim.
Den Wanen (auch: Vanen, V wird wie W gesprochen) als Göttern des Herdfeuers, des
Ackerbaus etc. werden Eigenschaften wie Fruchtbarkeit, Erdverbundenheit,
Wohlstand zugeschrieben.
Nach einem mythologischen Kampf (dem Vanenkrieg) gegen die Asen mussten die
Wanen den Asen den Meeresgott Njör r und dessen Kinder, die Zwillinge Freyja und
Freyr, als Geisel stellen, um den Frieden zu bewahren. Im Austausch erhielten
die Wanen den Asen Hoenir sowie den weisen Riesen Mimir. Historisch handelt es
sich bei diesem Kampf möglicherweise um die Auseinandersetzungen zwischen zwei
Völkern, aus denen die Germanen entstanden sein sollen: die Indogermanen und die
Träger der Megalithkultur. Ein anderer Ansatz ist, dass der sogenannte
Vanenkrieg eine frühe geistesgeschichtliche Auseinandersetzung zwischen zwei
Kulturidealen war: auf der einen Seite die alte bäuerlich-handfeste
Göttervorstellung, auf der anderen Seite eine kultiviertere, transzendente
Auffassung von den Göttern. In der Muttergöttin Freyja (= Vanin) - Frigga (=
Asin) überschneiden sich die Vorstellungen anschaulich.
Vangionen (Wangionen)
suebischer Stamm, der 58 v. Chr. unter Ariovist gegen Caesar kämpfte. Später
siedelte er auf dem linken Rheinufer um Worms.
__________________1
TACITUS
GERMANIA
Ursprung, Lage,
Sitten und Völker der Germanen
(Tacitus, geb.: ca. 55/56 n. 0 - gest.: ca. 120 n. 0)
Die >>Germania<< (ca. 98 n. 0 Veröffentlichung) ist eine kurze, nur 46 Kapitel
umfassende Studie. Tacitus
liegt nicht daran, einen erschöpfenden Bericht über Germanien zu geben. Von der
Flora und Fauna
des Landes, von Handel und Gewerbe berichtet er nichts. Es geht ihm lediglich um
den germanischen
Menschen, dessen Wesen er zu verstehen sucht. Bewusst greift er dabei die
Merkmale heraus, in denen
sich die Germanen von den Römern unterscheiden. Er schildert sie als urwüchsiges,
unverdorbenes Naturvolk,
hebt ihre Tugenden hervor, ohne die Fehler zu verschweigen. Er ahnt, welche
große Gefahr dem
römischen Reich von diesem, unseren, Volk droht. So ist seine Schrift für seine
Zeitgenossen eine Mahnung
und Warnung, für uns – wegen der spärlichen Quellen, die wir über unsere
Vorfahren besitzen – ein
unschätzbares Kleinod.
© Michael Brzezinski 02/2002
2
Inhalt
I. Teil: Germanen im allg.: Land und Leben der Bewohner
1. Landesgrenzen Germaniens
2. Ursprung und Herkunft der Germanen
3. Erzählungen über die Anwesenheit des Hercules und Odysseus in Germanien
4. Volkstypus der Germanen
5. Bodenbeschaffenheit und Landesprodukte. Münzen
6. Bewaffnung und Heerwesen
7. Führerschaft und Kampfesweise
8. Von dem hohen Ansehen der Frau
9. Götterwelt
10. Erkundung des göttlichen Willens durch Vorzeichen und Loswerfen
11. Thing
12. Thing und Rechtspflege
13. Wehrhaftmachung und Gefolgswesen
14. Die Gefolgschaft im Kriege
15. Die Gefolgschaft im Frieden
16. Siedlungsweise und Wohnungen
17. Kleidung
18. Hochzeitsfeierlichkeiten
19. Heiligkeit der Ehe
20. Kinder und Erbrecht
21. Fehde und Gastfreundschaft
22. Vom Leben im Hause
23. Vom Essen und Trinken
24. Waffentanz und Würfelspiel
25. Die Stellung der Sklaven und Freigelassenen
26. Landwirtschaft
27. Totenbestattung
II. Teil: einzelne Stämme Germaniens
28. Nichtgermanen rechts des Rheins und links der Donau. Germanen links des
Rheins
29. Rechtsrheinische Germanen im Verband des römischen Reiches. Zehntland
30. Chatten (1)
31. Chatten (2)
32. Usiper und Tenceterer
33. Bructerer, Chamaver und Angrivarier
34. Dulgubnier, Chasuarier und Friesen
35. Chauken
36. Cherusker
37. Cimbern (dabei Rückblick auf die Kämpfe zwischen Römern und Germanen)
38. Vorbemerkung über die Gesamtheit der Sueben
39. Semnonen
40. Langobarden und andere Nerthusverehrer
41. Hermunduren
42. Naristen, Marocomannen und Quaden
43. Lugier (Naharvalen, Harier) und andere Ostsueben
44. Goten, Rugier, Lemovier und Suionen
45. Das Nordmeer. Ästier (Bernstein!) und Sitonen
46. Peuciner, Wenden, Finnen und andere
3
I. Teil: Germanen im allg.: Land und Leben der Bewohner
1. Landesgrenzen Germaniens
Germanien in seiner Gesamtheit wird von allen Galliern einerseits, und den
Rätern und Pannoniern andererseits
durch das Rhein- und Donaugebiet geschieden, von den Sarmaten und Dakern durch
die gegenseitige
Furcht der Völker voreinander und durch Gebirgszüge. Die Nordgrenze wird vom
Meer gebildet, das
weite Landvorsprünge und Inselräume von riesigen Dimensionen umspült; es ist
noch gar nicht lange her,
dass wir einige der dortigen Völker und ihre Könige kennen gelernt haben: der
Krieg hat sie uns erschlossen.
Der Rhein entspringt auf einen unzugänglichen, steilen Gipfel der Rätischen
Alpen, wendet sich in
leichter Biegung nach Westen und mündet in die Nordsee. Die Donau kommt von
einem bequem zugänglichen,
sanft ansteigenden Bergrücken des Schwarzwaldes; sie nimmt ihren Lauf durch sich
in sechs
Mündungsarmen ins Schwarze Meer, während sich ein siebenter in Sümpfen verliert.
2. Ursprung und Herkunft der Germanen
Die Germanen selbst möchte ich für die Urbewohner halten, deren Rassenreinheit
weder durch gewaltsame
Zuwanderung noch durch gastliche Aufnahme fremder Völker beeinträchtigt worden
ist; denn wer
seinen Wohnsitz wechseln wollte, tat das in alter Zeit nicht zu Lande, sondern
auf dem Seeweg. Nur selten
aber wagt sich aus unserem Mittelmeer ein Schiff in jenes unermessliche im
Norden Germaniens sich
ausdehnende Meer, das sozusagen schon einer anderen Welt angehört. Ferner, ganz
abgesehen von den
Gefahren in diesem schaurigen und unbekannten Meer, wer hätte sich denn
überhaupt entschließen sollen,
unsere blühenden Provinzen in Kleinasien oder Nordafrika oder gar Italien selbst
zu verlassen und nach
Germanien auszuwandern? Nach jenem Teil der Erde, der so völlig bar ist aller
landschaftlichen Reize, so
rauh im Klima, trostlos zum Leben und trostlos zum Anschaun für jeden, dem es
nicht gerade die Heimat
ist!
In alten Liedern, der einzigen Art geschichtlicher Überlieferung, die es dort
gibt feiern die Germanen
einen erdentsprossenen Gott Tuisto. Ihm schreiben sie einen Sohn Mannus zu, den
sie als den
Stammvater und Begründer ihres Volkes preisen. Dieser soll drei Söhne gehabt
haben, nach deren Namen
die an der Nordsee wohnenden Germanen Ingävonen, die im Binnenlande Herminonen,
die Anwohner
des Rheines Istävonen genannt würden.
Manche Schriftsteller – kein Wunder bei dem Spielraum, den die Urzeit gestattet
– wollen von
noch mehr Söhnen des Mannus und von noch mehr Stammesnamen wissen: so seien
Marser, Gambrivier,
Sueben und Wandilier ganz alte und echte Namen.
Dagegen sei die Bezeichnung Germanien* neu und erst vor kurzem in Gebrauch
gekommen. Anfänglich
hätte nur der Stamm, der als erster über den Rhein ging und die Gallier aus
ihrer Heimat vertrieb
(heute heißen sie Tungern), den Namen Germanen gehabt. Nachher habe sich der
Stammesname auch für
alle anderen Stämme durchgesetzt, und zwar auf folgende Art: Zuerst sei der
siegreiche Stamm selbst, um
den Galliern Furcht einzujagen, auf den Gedanken gekommen, alle Stämme rechts
des Rheines Germanen
zu nennen; nachdem nun der Stammesname erst mal als Gesamtname aufgekommen war,
hätten die
Stämme bald auch von sich aus diese Bezeichnung angenommen.
*Danach wurde das Word „Germanien“ aus einem ursprünglichen Stammesnamen in
Laufe der Zeit zum Namen des Gesamtvolkes,
während es als Stammesbezeichnung außer Gebrauch kam. – Der Name „Germane“ (nicht
„Ger-mann“) ist wahrscheinlich
keltischen Ursprungs. Seine Bedeutung ist ungeklärt.
4
3. Erzählungen über die Anwesenheit des Hercules und Odysseus in Germanien
Wie es heißt, ist außer anderen auch Hercules in Germanien gewesen; in der Tat
singen die Germanen,
wenn sie zur Schlacht ausziehen, von ihm als den ersten aller Helden. Um sich
mehr Mut zu machen, haben
sie auch noch eine andere Art von Heldengesängen; aus deren Klang, Barditus
genannt, prophezeien
sie den Ausgang des bevorstehenden Kampfes. Je nachdem nämlich der Gesang durch
ihre Reihen
schallt, glauben sie an Sieg oder Niederlage; und dieser Gesang ist ihnen
sozusagen mehr ein Gleichklang
tapferer Herzen als ein Zusammenklingen von Menschenstimmen. Vor allen ist es
ihnen zu tun, rauhe
Töne und ein stoßweises Dröhnen hervorzubringen; zu diesem Zweck halten sie den
Schild vor dem
Mund, um so die Stimme durch den Widerhall voller und tiefer anschwellen zu
lassen.
Nach Ansicht mancher ist übrigens auch Odysseus auf seiner langen,
sagenumwobenen Irrfahrt in
die Nordsee verschlagen worden und hat dort germanischen Boden betreten; das am
Rhein gelegene noch
heut bewohnte Asciburgium soll er gegründet und ihm auch dem Namen gegeben haben.
Ja, es soll dort
vor langer Zeit sogar ein Altar entdeckt worden sein, den Odysseus gestiftet und
auch den Namen seines
Vaters Laërtes versehen habe.
Im Grenzgebiet Germaniens und Rätiens soll es noch bis auf den heutigen Tag
Grabdenkmäler
geben, die Inschriften in griechischer Schrift aufweisen.
Solche Behauptungen will ich weder als richtig anerkennen noch als falsch abtun;
ein jeder mag
davon ablehnen oder glauben, was er will.
4. Volkstypus der Germanen
Persönlich trete ich der Ansicht jener bei, die glauben, dass die Germanen ihr
Blut nicht durch Heiraten
mit Fremden befleckt haben, sondern eine eigenartige und rassenreine
Volkseinheit geblieben sind, die
sich von jedem anderen Volk unterscheidet. So haben sie denn auch trotz ihrer
großen Volkszahl alle das
gleiche Aussehen: die blauen Augen mit dem trotzigen Blick, das rötlichblonde
Haar und die hochgewachsenen
Körper, die allerdings nur im Angriff besonders stark sind. Bei mühseliger
Arbeit legen sie
viel weniger Ausdauer an den Tag; Durst und Hitze vertragen sie schon gar nicht.
Dagegen sind sie bei
dem rauhen Klima und der Kärglichkeit des Bodens an Kälte und Hunger gewöhnt.
5. Bodenbeschaffenheit und Landesprodukte. Münzen
Das Land weist zwar im einzelnen beträchtliche Unterschiede auf; in der
Gesamtheit aber wirkt es durch
seine Wälder unheimlich, durch die Sümpfe abstoßend. Für den Westen, nach
Gallien hin sind die Niederschläge
charakteristisch, für den Südosten, nach Norikum und Pannonien hin, Stürme und
die dadurch
bedingte größere Trockenheit.
Getreide gedeiht gut, dagegen eignet sich der Boden nicht für Edelobst. Vieh
läuft viel herum,
doch ist es meistens unansehnlich; selbst an den Rindern vermisst man den
stattlichen Wuchs und das
mächtige Gehörn. Denn nicht an den Aussehen der Tiere haben die Germanen ihre
Freude, sondern nur
an der Menge: Viehreichtum ist ihr einziger und liebster Besitz.
Silber und Gold haben ihnen die Götter vorenthalten – soll man sagen: in
gnädiger Gesinnung
oder im Zorn? Doch will ich damit nicht behaupten, dass es in Germanien
überhaupt keine Gold- oder
Silberadern gibt; denn wer hat je danach gesucht? Aus dem Besitz und Gebrauch
dieser Metalle machen
sich die Germanen nicht gerade viel. Man kann die Beobachtung machen, dass ihnen
silberne Gefäße, die
ihre Gesandten und Fürsten als Geschenk erhielten, nicht mehr gelten als solche
aus Ton. Die Grenznachbarn
allerdings wissen wegen des regelmäßigen Handelsverkehrs mit uns Gold und Silber
mehr zu schätzen.
Sie kennen einige unserer Geldsorten und nehmen bestimmte davon mit Vorliebe an.
Im Innern
des Landes hängt man noch an dem einfacheren und seit alters gebräuchlichen
Tauschhandel. Von unseren
Münzen bevorzugen die Germanen die alten, die ihnen schon seit langen bekannt:
die mit gezackten
Rand oder die mit der Victoria (Siegesgöttin) auf dem Zweigespann. Silber ist
ihnen lieber als Gold, aber
5
nicht aus irgendeiner Liebhaberei, sondern einfach deshalb, weil die größere
Zahl der Silberstücke für
Leute, die nur alltägliche billige Dinge kaufen, im Zahlungsverkehr praktischer
ist.
6. Bewaffnung und Heerwesen
Selbst Eisen haben die Germanen kaum in ausreichender Menge, wie man aus Art
ihrer Waffen ersehen
kann. Nur wenige besitzen ein Schwert oder einen größeren Spieß mit langer,
breiter Eisenspitze. In der
Regel tragen sie Speere, in ihrer Sprache Framen genannt, mit einer nur kurzen
und schmalen, dabei aber
doch scharfen Eisenspitze; diese Waffe ist so handlich, dass man sie je nach
Bedarf zum Stoß wie zum
Wurf verwenden kann. Die Reiterei führt nur Schild und Frame. Das Fußvolk
benutzt außerdem auch
ganz leichte Wurfgeschosse, und zwar hat jeder Mann mehrere; damit kann man
ungeheuer weit schleudern.
Die Germanen tragen höchstens einen leichten Umhang, der sie wenig behindert.
Jegliches Prunken
mit Waffenschmuck liegt ihnen fern; nur ihre Schilde bemalen sie mit grellen
Farben. Ganz wenige haben
einen Panzer, kaum der eine oder der andere einen Metall- oder Lederhelm.
Ihre Pferde zeichnen sich weder durch Schönheit noch durch Schnelligkeit aus,
Sie werden auch
nicht wie bei uns dazu abgerichtet, Schwenkungen mannigfacher Art zu machen –
die germanische Reiterei
reitet entweder geradeaus oder mit einer einzigen Schwenkung nach rechts – und
zwar in so geschlossener
Kreisbewegung, dass niemand zurückbleibt.
Im ganzen gesehen liegt die Hauptstärke der Germanen bei dem Fußvolk; deshalb
kämpfen die
beiden Waffengattungen auch in gemischten Verbänden, wobei sich die Fußtruppen
infolge ihrer Behendigkeit
den raschen Bewegungen des Reiterkampfes anpassen und zwischen den Reitern
einhertraben. Zu
diesem Zweck werden die schnellsten jungen Leute herausgezogen und vor die
Hauptkampflinie gestellt,
dorthin, wo die Reiterei ihren Platz hat. Ihre Zahl ist genau festgelegt: Aus
jedem Gau sind es hundert,
und danach heißt eine solche Abteilung bei ihnen Hundertschaft. Und was
ursprünglich eine bloße Zahlenangabe
war, ist jetzt die offizielle Benennung und ein Ehrentitel.
Zur Schlacht ordnet sich das Heer in keilförmigen Abteilungen. Vom Platze zu
weichen, sofern
man nur wieder vorstößt, wird nicht als Angst ausgelegt, sondern als Zeichen
kluger Berechnung gewertet.
Ihre Verwundeten und Toten suchen sie auch bei ungünstiger Gefechtslage zu
bergen. Der Verlust des
Schildes gilt als eine ganz besonders große Schmach: Der also Gebrandmarkte darf
weder an einer religiösen
Feier noch am Thing teilnehmen. Daum hat schon gar mancher, der heil aus dem
Kriege zurückgekommen
war, den Strick genommen, um seiner Schande ein Ende zu machen.
7. Führerschaft und Kampfesweise
Für die Wahl von Königen ist adelige Abstammung, für die von Heerführern (Herzögen)
die Mannhaftigkeit
des einzelnen ausschlaggebend. Die Könige haben keine unumschränkte oder
willkürliche Gewalt,
und auch die Heerführer leiten mehr durch ihr Beispiel als auf Grund ihrer
Befehlsgewalt – durch nie erlahmende
Tatbereitschaft, durch überragendes Heldentum und Kampf in vorderster Linie
erwecken sie
Bewunderung für sich und verschaffen sich dadurch Gehorsam. Im übrigen ist es
ihnen nicht erlaubt, jemanden
hinrichten, in Fesseln legen oder auspeitschen zu lassen; dieses Recht steht nur
den Priestern* zu.
Aber auch die Priester tun das nicht, um von sich aus oder auf Befehl des
Heerführers eine Strafe zu vollziehen,
sondern sozusagen auf Geheiß des Gottes, der nach ihrem Glauben den Kämpfern zur
Seite steht.
Gewisse Tierbilder** und Wahrzeichen*** ihrer Götter holen sie aus den heiligen
Hainen und
nehmen sie mit in den Kampf. Was sie am allermeisten zur Tapferkeit anfeuert,
ist der Brauch, dass die
Aufstellung der Reiter- und Fußabteilungen nicht dem Zufall überlassen oder ins
Belieben gestellt ist,
sondern nach Familien und Sippen erfolgt. Zudem befinden sich ganz in der Nähe
ihre Lieben, so dass sie
die Klageschreie ihrer Frauen und das Wimmern der Kinder hören können. Diese
nächsten Angehörigen
sind für jeden Kämpfer die heiligsten Zeugen seiner Taten; von ihnen ein Lob zu
erhalten, ist ein jeden
größter Stolz. Wer verwundet ist, begibt sich zu seiner Mutter oder Gattin.
Diese stellen ohne Scheu die
Anzahl der Verletzungen fest und untersuchen sie; auch bringen sie den
Kämpfenden Erfrischungen und
Zuspruch.
6
*Wenn auch die Strafgewalt im Kriege dem Heerführer zustand, so lag doch der
Strafvollzug bei den Priestern; hierdurch
sollte etwaige Sippenrache von vornherein ausgeschaltet werden. Also eine Art
Teilung der bürgerlichen und militärischen
Gewalt.
**Etwa: Schlange und Wolf Wodins, Bär und Bock Donars, Widder Zius.
***Für Wodin war der Speer, Für Donar der Hammer, für Ziu das Schwert
charakteristisch.
8. Von dem hohen Ansehen der Frau
Wie überliefert wird, haben die Frauen schon manches wankende oder gar
zurückflutende Heer wieder
zum Stehen gebracht durch inständiges Bitten und dadurch, dass sie sich ihren
Männern mit entblößter
Brust entgegenwarfen und auf die unmittelbar drohende Gefangenschaft hinwiesen.
Diese fürchten die
Germanen weit weniger für ihre eigene Person als für ihre Frauen; deren
Gefangenschaft dünkt ihnen so
unerträglich, dass ein Volksstamm, der unter den ihm auferlegten Geiseln auch
Mädchen aus vornehmen
Familien stellen muss, sich besonders stark verpflichtet fühlt.
Ja, die Germanen erblicken in den Frauen so etwas wie heilige Wesen mit
Sehergabe*; daher beachten
sie deren Ratschläge und richten sich nach ihren Weissagungen. Haben wir es doch
selbst erlebt,
wie während der Regierung des verewigten Kaisers Vespasian die Seherin Veleda
lange Zeit fast überall
in Germanien Verehrung genoss wie ein höheres Wesen. Ebenso hat man einstens der
Aurinia und manch
anderen Frauen derartige Verehrung erwiesen, ohne dass man ihnen etwa in
niedriger Unterwürfigkeit
geschmeichelt oder gar Göttinen aus ihnen gemacht hätte.
*Die zartere, sensiblere Frau erschien der göttlichen Eingebung leichter
zugänglich als der Mann. – Andererseits aber hatte die
Frau schwere körperliche Arbeit zu Hause wie auf dem Felde zu verrichten und war
dem Manne gegenüber minderen Rechts.
9. Götterwelt
Wodan/Wodin (Mercur) Donar/Thor (Hercules) Ziu/Tyr (Mars)
Unter den Göttern* genießt die höchste Verehrung Mercur (Wodin); ihm an
bestimmten Festtagen auch
Menschenopfer** darzubringen, sehen die Germanen als ein gottgefälliges Werk an.
Den Hercules (Donar)
und Mars (Ziu) suchen sie sich durch Opferung der hierfür üblichen Tierarten
gnädig zu stimmen.
Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis. Über Veranlassung und Ursprung dieses
Fremden Kultes
habe ich nichts Sicheres in Erfahrung bringen können. Doch lässt sich schon aus
der Tatsache, dass das
7
Symbol der Göttin wie ein kleiner dalmatischer Schnellsegler aussieht,
erschließen, dass der Kult auf dem
Seewege eingeführt worden ist.
Im übrigen verträgt es sich nach germanischer Anschauung nicht mit der Hoheit
des Himmlischen,
die Götter in Tempelbauten*** einzuengen oder menschenähnliche Bilder**** von
ihnen zu machen. Sie
weihen ihnen Wälder und Haine und rufen jenes geheimnisvolle Wesen, das man nur
dann schauen zu
können meint, wenn man in ehrfurchtvoller Andacht versunken ist, mit göttlichen
Namen an.
*Um dem römischen Leser das Verständnis zu erleichtern, wurden die germanischen
Götternamen gern durch solche römische
ersetzt, die dem germanischen Gott am meisten zu entsprechen schienen. Für diese
Namensgebung waren äußere Ähnlichkeiten
oft mehr entscheidend als Wesensgleichheit.
**Geopfert wurden Menschen, die nicht zu Volksgemeinschaft gehörten, z.B.
Kriegsgefangene oder Sklaven. Auch die an
einem Verbrecher vollzogene Todesstrafe galt als ein Opfer, da durch das
begangene Verbrechen in erster Linie die Gottheit
selbst beleidigt worden war.
***Tempel (d. h. Bauten für die Kulthandlung sind bis in die Taciteische Zeit
hinein nicht nachgewiesen, sondern nur eingehegte
Plätze, Altäre und Hügel, andererseits Priesterwohnungen und Aufbewahrungsräume
für die Heiligtümer (z.B. für den
Prozessionswagen).
****Eigentliche Götterbilder in Menschengestalt dürften erst durch die Römer zu
den Germanen gekommen sein.
10. Erkundung des göttlichen Willens durch Vorzeichen und Loswerfen
Vorzeichen und Entscheidungen durchs Los messen die Germanen so hohen Wert bei
wie nur wenige
Völker. Das beim Losen übliche Verfahren ist einfach: Von einem fruchttragenden
Baum* schneiden sie
einen Zweig ab und zerteilen ihn in Stäbchen (Runenstäbchen). Diese machen sie
durch Einritzen bestimmter
Zeichen (Runen) kenntlich und streuen sie dann aufs Geradewohl, wie es der
Zufall fügt, über
ein weißen Linnen (Leinentuch?). Dann ruft bei Erkundung des göttlichen Willens
in öffentlicher Angelegenheit
der Priester, bei Befragung in Privatsachen der Hausherr die Götter an, hebt,
den Blick gen
Himmel gerichtet, dreimal** nacheinander je ein Stäbchen empor und gibt auf
Grund der vorher eingeritzten
Zeichen eine Deutung. Ist diese ungünstig, findet in der gleichen Sache am
selben Tage keine weitere
Befragung mehr statt; fällt sie günstig aus, so sucht man außerdem noch durch
Vorzeichen eine Bestätigung
zu erlangen.
Der Brauch, Ruf und Flug der Vögel zu beobachten und zu deuten, herrscht bei den
Germanen
genauso wie bei uns.
Eine germanische Sitte dagegen ist es, aus den Vorausahnungen und deren Gebaren
heiliger Pferde
etwas erkunden zu wollen. Diese Pferde, Schimmel, werden von Staats wegen in
denselben Hainen
und Wälder gehalten, in denen die Götter verehrt werden, und dürfen durch Arbeit
im Dienste der Menschen
nicht entweiht werden. Sie werden nur vor den heiligen Wagen gespannt***; der
Priester und der
König oder Gaufürst gehen dann nebenher, lenken die Rosse und beobachten ihr
Wiehern und Schnauben.
Diesem Vorzeichen schenkt man mehr Glauben als allen anderen, und zwar nicht nur
beim einfachen
Volk, sondern auch in den höheren Schichten und bei den Priestern. Die Priester
halten sich selbst nur für
Diener der Götter; in den Pferden dagegen sehen sie Geschöpfe, die in das Wissen
der Götter eingeweiht
sind.
Um den Ausgang schwerer Kriege zu erforschen, haben die Germanen auch noch eine
andere Art
von Vorzeichen: Sie trachten danach, einen Mann aus dem feindlichen Lager
irgendwie in ihre Hände zu
bekommen, und lassen ihn dann mit einem ausgesuchten Streiter aus ihren eigenen
Reihen kämpfen, jeden
in den Waffen seiner Heimat. Den Sieg des einen oder des anderen betrachten sie
dann als bedeutungsvoll
für den Ausgang des ganzen Krieges!
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f u th a r k g w h n i j ei p z s t b e m l ng d o
24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
(rechtsläufig = FUTHARK-Runen) à
( ß linksläufig = OD(i)NG-Runen)
Während jahrelanger Runen-Forschungsarbeit gelang es Gerhard Heß, durch die
entschlüsselte urgermanische Runenaussage
des über 2000jährigen ODING-Kanons, die Eckpfeiler des spirituellen Wissens
abend- und morgendländischer Glaubenssyteme
wiederzugewinnen. Erstaunliche Übereinstimmungen zwischen Veda, Avesta, Edda,
ägyptischen Pyramidentexten und
hermetischen Zauberpapyri werden sichtbar.
Folgende thematische Schwerpunkte setzt der ODING-KANNON:
Numerologie - die urkräftige Bedeutung der Zahlen und ihre Beziehung zu den 24
Runenmythen.
Der luni-solare altgermanische Kalender - die Einteilung des Jahres in 24
Mondphasen, die mit den 24 Runen korrespondieren.
Nachzulesen in dem leider vergriffenen Buch: >>ODING-WIZZOD<< - Gottesgesetz und
Botschaft der Runen, Gerhard Heß,
Knaur Verlag 1993, ISBN 3-426-86034-1.
*Der Baum musste fruchttragend sein, weil ein solcher Baum als Sinnbild des
Segens galt; doch brauchten seine Früchte nicht
essbar zu sein. Bevorzugt wurde wohl die Buche, vgl. „Buch-stabe“; die
Losstäbchen wurden zusammengelesen.
**Die Dreizahl galt schon im Altertum als bedeutungsvoll; vgl. die drei
Hauptgötter (Kap. 9). – Bei dieser Gelegenheit sei
auch auf die Einteilung des Jahres in drei Jahreszeiten (Kap. 26) hingewiesen,
ebenso auf die Dreiteilung der Landwirtschaft in
Ackerbau, Gartenbau und Viehzucht (Kap. 5).
***Offenbar bei den regelmäßig wiederkehrenden, feierlichen Umfahrten des
Gottes. Man darf annehmen, dass in ähnlicher
Weise auch die Kühe der Nerthus (Kap. 40) beobachtet wurden.
11. Thing
Über minder Wichtige Dinge entscheiden die Edelinge, über wichtige die
Gesamtheit der Freien; doch
werden auch solche Dinge, deren Entscheidung dem ganzen Volk vorbehalten ist,
von den Edelingen
vorher durchberaten. Abgesehen von unvorhergesehenen eiligen Fällen treten die
Germanen in bestimmten
Fristen bei Neumond oder Vollmond zum Thing* zusammen; denn diese Tage sehen sie
als besonders
glückbringend für die Eröffnungen von Beratungen an. Sie rechnen nicht, wie wir,
nach Tagen, sondern
nach Nächten. Nach Nächten** setzten sie die Termine für Versammlungen und
Verabredungen fest;
denn nach ihrer Auffassung geht die Nacht dem Tage voran. Ihr ausgeprägter
Freiheitsdrang hat den
Nachteil, dass sie nicht alle gleichzeitig und nicht auf einen Befehl hin zum
Thing eintreffen, sondern
durch die Saumseligkeit der Ankommenden gehen zwei bis drei Tage verloren***.
Sobald die Erschienenen es für gut befinden, setzten sie sich zur Beratung
zusammen, und zwar
alle in Waffen. Stillschweigen gebieten die Priester, denen nun das Recht
zusteht, gegen Unbotmäßige
mit Strafen einzuschreiten. Dann hört man sich den König oder irgendeinen
Edeling an, der nach Alter,
Adel, Kriegsruhm und Redegabe berufen erscheint, das Wort zu ergreifen; dieser
hat mehr einen gewichtigen
Rat zu erteilen als die Befugnis, etwas anzuordnen. Missfällt der Vorschlag,
dann wird er von der
Versammlung mit lauten Murren zurückgewiesen. Findet er Beifall, so schlägt man
mit den Speeren aneinander;
und diese Form des Beipflichtens gilt bei ihnen als die ehrenvollste Art der
Zustimmung.
*Bei den Versammlungen unterschied man zwischen dem ungebotenen (ordentlichen)
Thing, zu dem nicht besonders viel
aufgeboten wurde, und dem gebotenen (außerordentlichen) Thing; ferner zwischen
dem großen und den kleinen Thing.
**Das Zählen nach Nächten war eine Folge der einfacheren und darum
ursprünglicheren Zeitrechnung nach dem Mondwechsel;
vgl. Überreste davon in Ausdrücken wie „Fastnacht“ und „Weihnacht“.
9
***Bei den weiten Entfernungen dürfte die gerügte Unpünktlichkeit mindestens
teilweise auf die Unpassierbarkeit der Wege
infolge plötzlicher Überschwemmungen und andere widrige Umstände zurückzuführen
sein. Umgekehrt mochten manche
Teilnehmer vorzeitig eintreffen, um Privatangelegenheiten (z.B. Eheverlöbnisse)
zu besprechen.
12. Thing und Rechtspflege
Im Thing darf man auch Klage erheben und Prozesse anstrengen, bei denen es um
Leben und Tod geht.
Die Strafen richten sich nach Art des Vergehens. Verräter und Überläufer hängt
man an dürren Bäumen
auf. Feiglinge, Fahnenflüchtige und solche, die ihren Leib durch widernatürliche
Unzucht geschändet
haben, versenkt man in einem Moor* oder Sumpf und überdeckt sie noch mit
Gestrüpp. Diese verschiedene
Art der Todesstrafe hat angeblich den Sinn, dass man Verbrecher zum
abschreckenden Beispiel öffentlich
brandmarken, Lasterhaftigkeit aber den Blicken der Allgemeinheit entziehen will.
Auch bei leichteren
Vergehen ist das Strafmaß je nach der Art des Falles abgestuft. Der schuldig
Gesprochene hat eine
bestimmte Anzahl von Pferden und Rindern als Buße zu entrichten. Davon fällt ein
Teil an den König
oder an die Gemeinde, der andere an den Geschädigten oder seine Sippe.
In diesem Landesthing werden auch die Gaufürsten gewählt, die im Bereich ihres
Gaues Recht
sprechen. Jedem von ihnen stehen hundert Beisitzer** aus den Gemeinfreien des
Gaues als beratende und
beschließende Körperschaft zur Seite.
*Die in den Mooren Norddeutschlands und Dänemarks gefundenen Moorleichen sind
höchstwahrscheinlich Opfer dieser Justiz.
Die Überdeckung mit Flechtwerk, Steinen usw. sollte wohl die Rückkehr des
Gerichteten als Gespenst verhindern.
**Es handelt sich hier nicht um besonders gewählte Schöffen, sondern um die
Häupter der ungefähr 100 Familien, die ursprünglich
einen aus mehreren Dörfern bestehenden Siedlungsverband (Gau) ausmachten.
13. Wehrhaftmachung und Gefolgswesen
Alle Angelegenheiten öffentlicher wie privater Art erledigen die Germanen nur im
Waffenschmuck. Doch
darf nach ihrer Sitte keiner die Waffen eher anlegen, als bis ihn die Gemeinde
als wehrfähig anerkannt
hat. In feierlicher Weise überreicht dann im Thing selbst einer der Edelinge
oder der Vater oder auch einer
der Sippengenossen dem Jungmann die Waffen: Schild und Frame. Das bedeutet bei
ihnen dasselbe
wie bei uns Römern die Anlegung der Mannestoga: es ist der erste Ehrenschmuck
des jungen Mannes.
Bisher galt er als ein Glied der Familie, nunmehr gehört er dem Staat.
Hoher Adel oder außergewöhnliche Verdienste der Väter sichern auch schon ganz
jungen Leuten
die Rangstellung eines Gefolgsherrn; sie werden in den Kreis der anderen älteren
und schon kampferprobten
Gefolgsherren aufgenommen. Es ist aber auch keine Schande für sie, Gefolgsmann
eines anderen
zu werden. Jeder Gefolgsherr setzt ja auch nach seinem Ermessen Rangunterschiede
für seine Gefolgsleute
fest; unter diesen herrscht daher ein großer Wetteifer, da jeder bei seinem
Führer der erste sein will.
Nicht minderstark wetteifern die Gefolgsherren ihrerseits untereinander; denn
jeder will die meisten
und feurigsten Gefolgsleute haben. Seine Würde und Macht sieht der Gefolgsherr
darin, stets der Mittelpunkt
einer zahlreichen und heldenhaften Gefolgschaft zu sein: das ist im Frieden sein
Stolz, im Kriege
sein Schutz. Wenn ein Gefolgsherr durch die Zahl und Tapferkeit seines Gefolges
auffällt, verschafft ihm
das nicht nur bei seinem eigenen Volk, sondern darüber hinaus bei den
Nachbarstaaten einen Namen und
Ruhm. Solche Gefolgsherren werden auch von Gesandtschaften umworben und durch
Geschenke geehrt;
und oft genug hat schon ihr bloßer Name genügt, einen Krieg zu verhüten.
10
14. Die Gefolgschaft im Kriege
Kommt es zur Schlacht, so ist es für den Gefolgsherrn eine Schande, sich an
Tapferkeit übertreffen zu
lassen, doch ebenso für die Gefolgschaft, es dem Führer an Tapferkeit nicht
gleichzutun. Vollends aber
lädt Schimpf und Schande fürs ganze Leben auf sich, wer ohne seinen Gefolgsherrn
aus der Schlacht zurückkommt.
Ihn zu schützen, ihn zu schirmen, selbst die eigenen Heldentaten seinem Ruhm
zuzurechnen:
darin gipfelt der Treueid* der Mannen. Der Gefolgsherr kämpft um den Sieg, die
Mannen für ihren Herrn.
Droht einem Stamm in langer Friedensruhe Verweichlichung, so suchen viele dieser
jungen Edelinge
auf eigene Faust solche Stämme auf, die gerade in irgendeinen Krieg verwickelt
sind. Denn ein
tatenloses Leben ist den Germanen nun einmal verhasst. Auch kommt man in Kampf
und Gefahr leichter
zu Ruhm. Zudem lässt sich eine zahlreiche Gefolgschaft auf die Dauer auch nur
durch Krieg und
Raubzüge zusammenhalten. Denn neben der gewöhnlichen Verpflegung und den zwar
einfachen, aber
sehr reichlichen Gastereien, die an die Stelle einer Soldzahlung treten,
erwarten die Gefolgsleute von der
Freigiebigkeit ihres Gefolgsherrn jenes Streitross und jene Frame, mit der sie
den blutigen Sieg zu
erkämpfen gedenken. Die Mittel für solche Freigebigkeit werden durch Kriegs- und
Raubzüge
aufgebracht. Man kann einen Gefolgsmann leichter dazu bringen, einen Feind zum
Kampf
herauszufordern und sich Verwundungen zu holen als daheim den Acker zu bestellen
und den Ertrag der
Ernte abzuwarten. Ja, für faul und feige gilt, wer mit seinem Schweiß erwirbt,
was er durch Blut gewinn
en kann.
*Die Treue war die sittliche Macht, die den Herrn und die Gefolgschaft zu einer
Einheit zusammenschmiedete (vgl. die Treue
als das Kernmotiv der deutschen Heldensagen).
15. Die Gefolgschaft im Frieden
Gibt es keinen Krieg, dann gehen sie wohl mitunter auf die Jagd; noch lieber
aber verbringen sie den ganzen
Tag mit nichts anderem als mit Schlafen und Essen. Gerade die tapfersten
Kriegshelden betätigen
sich am allerwenigsten. Sie überlassen die Sorge für Haus und Hof sowie die
Feldarbeit den Frauen, den
alten Leuten und überhaupt den körperlich schwächeren Mitgliedern der Familie;
sie selbst leben in
dumpfer Untätigkeit dahin. Ein merkwürdiger Widerspruch liegt in ihrem Wesen:
sie lieben den Müßiggang
und können doch die Ruhe des Friedens nicht ertragen*.
Es ist Landessitte, dass jeder einzelne für sich als freiwillige Leistung den
Fürsten (bzw. Gefolgsherrn)
von seinem Vieh oder Ernteertrag etwas abgibt. Eine solche Zuwendung wird als
Ehrengabe angenommen,
erleichtert aber zugleich auch die Bestreitung der notwendigen Ausgaben.
Besonders große
Freude herrscht über Geschenke aus Nachbarländern; sie werden nicht nur von
Einzelpersonen, sondern
auch von Staats** wegen dargebracht und bestehen aus erstklassigen Pferden,
prachtvollen Waffenstücken,
Brustschmuck und Halsketten. Manche haben wir auch schon soweit gebracht, dass
sie Geld annehmen.
*Das bezieht sich offensichtlich nicht auf die Gesamtheit der Freien, sondern
nur auf den Gefolgsherren und seine Mannen. Im
übrigen merkt man an der Art und Ausführlichkeit der ganzen Schilderung, welch
tiefen Eindruck die germanische Gefolgschaft
auf den Römer Tacitus gemacht hat.
**Durch solche Geschenke wollte man sich der Gunst des betr. Fürsten
(Gefolgsherrn) versichern oder sich von etwa geplanten
Raubzügen loskaufen.
11
16. Siedlungsweise und Wohnungen
Wie zur Genüge bekannt, wohnen die germanischen Völker nicht in Städten; auch
von sonstigen geschlossenen
Siedlungen wollen sie nichts wissen. Ihre Dörfer legen sie nicht so wie wir an,
d. h. als Reihenhäuser,
die unmittelbar aneinander grenzen, sondern siedeln weit voneinander entfernt
und ohne planvolle
Straßenordnung, wie gerade Quelle, ein Feld oder ein Weideplatz sie lockt. Jeder
lässt rings um sein
Haus einen freien Raum, vielleicht als Sicherung gegen Feuergefahr, vielleicht
auch, weil man nicht besser
zu bauen versteht. Als Baumaterial verwenden die Germanen nicht Steine oder
Ziegel, sondern überall
nur roh behauenes Holz, ohne auf ein gefälliges Äußere irgendwie Rücksicht zu
nehmen. Einzelne Stellen
der Außenwände bestreichen sie ziemlich sorgfältig mit einer so hellglänzenden
Erdmasse, dass man den
Eindruck von Malerei und farbiger Linienführung hat.
Auch pflegen sie Höhlen in die Erde zu graben und häufen eine starke Schicht
Dünger darüber;
diese Höhlen dienen ihnen als Zufluchtsstätte in der Winterkälte (Wohngruben)
und als Aufbewahrungsräume
für die Feldfrüchte (Mieten); denn in solchen Räumen macht sich die Strenge des
Frostes minder
fühlbar. Bricht aber einmal der Feind ein, verwüstet er nur, was offen daliegt.
Was aber versteckt und
vergraben ist, bemerkt er entweder gar nicht oder lässt es sich schon deshalb
entgehen, weil er erst danach
suchen müsste.
17. Kleidung
Zur Kleidung dient allgemein ein Umhang*, der durch eine Spange oder, wenn eine
solche etwa fehlt,
durch einen Dorn zusammengehalten wird. Im übrigen unbedeckt, verbringen sie so
ganze Tage am Herdfeuer.
Die Wohlhabenden tragen außerdem noch Unterkleidung**; diese ist aber nicht so
herabwallend
wie bei den Sarmaten und Parthern, sondern liegt eng an und lässt die einzelnen
Körperformen hervortreten.
Auch Pelze werden getragen; auf deren Auswahl verwenden die an unseren Grenzen
wohnenden
Germanen nur wenig Sorgfalt, weit mehr die tiefer im Innern des Landes lebenden;
denn dort kennt man
bei dem Fehlen von Handelsverkehr keinen anderen Putz. Sie geben den Fellen
bestimmter Tierarten den
Vorzug und verarbeiten sie mit andersfarbigen Pelzstückchen solcher Tiere, die
weit von der Nordsee her
oder dem noch unerschlossenen Ozean*** (Nordmeer) stammen.
Bei den Frauen**** ist die Art, sich zu kleiden, im allgemeinen die gleiche wie
bei den Männern;
nur hüllen sie sich ziemlich häufig auch oben nicht in Ärmel aus, sondern Unter-
und Oberarm bleiben
frei, ebenso der obere Teil der Brust.
*Dieser konnte ein Pelz oder ein Woll- bzw. Leinenmantel sein.
**Die Unterkleidung bestand aus Leibrock und enganliegender Hose; in der
kälteren Jahreszeit wurde sie wohl allgemein
getragen. Übrigens erwähnt Tacitus nicht alle Teile der Kleidung (z. B. die
Schuhe).
***Die erste Erwähnung des nordischen Pelzhandels.
****Auf den Denkmälern erschienen die Frauen häufiger in langen Gewändern. Ein
grundlegender Unterschied zwischen
männlicher und weiblicher Tracht hat es aber bis ins Mittelalter hinein nicht
bestanden.
12
18. Hochzeitsfeierlichkeiten
Trotzdem wird dort die Heiligkeit der Ehe strengstens gewahrt, und gerade in
diesem Punkte ihrer Sitten
verdienen die Germanen allerhöchsten Lob. Denn unter allen Fremdvölkern sind sie
nahezu die einzigen,
die sich mit nur einer Frau begnügen. In den äußerst seltenen Ausnahmefällen ist
das Motiv nicht Befriedigung
der Sinnenlust, sondern es handelt sich dabei um Männer, die ihrer hohen
Stellung wegen von den
verschiedensten Seiten mit Heiratsanträgen umworben werden.
Die Mitgift bringt nicht die Frau dem Manne, sondern umgekehrt der Mann seiner
Frau. Eltern
und Verwandte sind dabei zugegen und begutachten die Brautgeschenke* Unter
diesen Brautgeschenken
ist aber nichts, woran die Neuvermählte ihre Eitelkeit befriedigen oder womit
sie sich schmücken könnte:
Rinder sind es und ein gezäumtes Ross, ferner Schild, Frame, Schwert. Auf diese
Gaben hin erhält der
Bräutigam die Braut; und auch sie schenkt nun ihrerseits dem Mann irgendein
Waffenstück. In solchem
Gabenaustausch erblicken die Germanen das stärkste Band, das sichtbare Zeichen
einer geheimnisvollen
Weihe und des Segens der Himmlischen für den neuen Ehebund. Die junge Frau soll
gleich durch das
Hochzeitszeremoniell daran gemahnt werden, dass die mannhaften Taten ihres
Gatten, dass Kriege und
Schlachten auch in ihr Dasein eingreifen. Sie soll schon jetzt wissen, dass sie
die Gefährtin ihres Mannes
in Not und Gefahr ist und im Krieg wie im Frieden dasselbe zu tragen und zu
wagen hat wie er. Das ist
der tiefere Sinn des Ochsengespannes, des aufgezäumten Rosses und der
Waffengabe. In dem Bewusstsein
solcher Gesinnung soll sie leben und dereinst sterben: Was sie empfing, habe sie
makellos und unversehrt
an ihre Kinder weiterzugeben, von denen es die Schwiegertöchter erhalten und
ihrerseits wieder
an die Enkel vererben sollten.
*In Wirklichkeit sind die Hochzeitsbräuche wohl nüchterner zu deuten als Tacitus
es tut. Bei den Geschenken des Bräutigams
handelt es sich um eine Art Brautpreis. Diese Mitgift wurde daher ursprünglich
an den Vater der Braut entrichtet. – Durch die
Übergabe eines Waffenstücks begab sich die bisher unter der väterlichen Obhut
stehende Tochter in die Gewalt des Mannes.
19. Heiligkeit der Ehe
Also leben die Frauen in Zucht und Keuschheit, nicht verdorben durch lüsterne
Schaustellungen oder verführerische
Gelage. Die Schreibkunst ist Männern und Frauen gleichermaßen unbekannt*.
Ehebruch
kommt trotz der großen Bevölkerungszahl äußerst selten vor. Die Bestrafung**
erfolgt auf der Stelle und
bleibt dem Gatten überlassen. Der schneidet der Ehebrecherin vor den Augen der
Verwandten das Haar
ab, reißt ihr die Oberkleidung vom Leibe, jagt sie aus dem Hause und treibt sie
mit Peitschenhieben durch
das ganze Dorf. Eine Frau, die ihre Keuschheit preisgegeben hat, findet kein
Erbarmen; nicht Schönheit
noch Jugend oder Reichtum verschafft ihr einen zweiten Mann. Denn in Germanien
lacht niemand über
Laster; verführen und sich verführen lassen, heißt dort nicht „dem Zeitgeist
huldigen“. Besser ist es fürwahr
auch heute noch um die Staaten bestellt, in denen nur Jungfrauen heiraten dürfen
und mit dem Ehegelöbnis
die Hoffnung einer Frau auf Wiederverheiratung ein für allemal ausgeschlossen
ist. Wie die
Frau nur einen Leib und ein Leben hat, so erhält sie auch nur den einen Gatten;
darüber hinaus soll sich
kein Gedanke, keine weitere sinnliche Begierde in ihr regen. Sie soll gleichsam
nicht den Mann, sondern
den Ehestand (die Mutterschaft) lieben.
Die Zahl der Kinder zu beschränken oder eines der Neugeborenen*** zu töten, gilt
als Frevel; und
durch gute Sitten wird dort mehr erreicht als anderwärts durch gute Gesetze.
*Damit auch die geheimen Liebesbriefe, die damals in den vornehmen Kreisen Roms
eine große Rolle spielten.
**Der Ehebruch der Frau wurde überaus hart geahndet; dabei fand kein besonderes
Rechtsverfahren statt, sondern die Frau
war der Willkür des betrogenen Gatten preisgegeben.
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***Nachgeborene sind Kinder, die zur Welt kommen, wenn ein Erbe schon da ist. Im
Gegensatz zu der Darstellung des Tacitus
galt die Aussetzung oder Tötung eines Neugeborenen (sofern es noch keine Nahrung
zu sich genommen hatte) als erlaubt,
wenn es ein Krüppel war, wenn es im Verdacht der Unechtheit stand oder wenn es
sich um Notzeiten handelte.
20. Kinder und Erbrecht
Bei den Adeligen wie bei den Gemeinfreien wachsen die Kinder halbnackt und ohne
besondere Pflege
auf; dabei erreichen sie die prächtigen Glieder und die stattlichen Körper, die
wir an ihnen bewundern.
Jede Mutter nährt* ihr Kind an der eigenen Brust und überlässt es nicht der Magd
oder Amme. Herrensohn
und Knechtessohn kann man in der Kindheit nicht an irgendwelcher Verzärtelung in
der Erziehung
voneinander unterscheiden**: bei demselben Vieh, auf demselben Erdboden tummeln
sie sich, bis das
waffenfähige Alter den Freigeborenen vom Unfreien scheidet und seine Tüchtigkeit
die adelige Herkunft
erkennen lässt.
Den Liebesgenuss lernt der Jüngling erst spät kennen, deshalb ist seine
Zeugungskraft ungeschwächt.
Auch bei den Mädchen nimmt man sich mit der Verheiratung Zeit***; so gleichen
sie den
Jünglingen an Jugendkraft und zeigen ähnlich hohen Wuchs. Den jungen Männern an
Stärke ebenbürtig,
treten sie in die Ehe; und in den Kindern spiegelt sich die Kraft der Eltern
wider.
Der Bruder der Mutter**** wacht über die Kinder seiner Schwester ebenso wie der
eigene Vater.
Ja, manche Stämme halten diese Bande des Blutes für noch heiliger und enger als
die von Vater und Sohn
und verfahren danach, wenn sie Geiseln fordern; denn sie meinen dadurch den, der
die Geiseln stellt, enger
und seine Sippe in erweitertem Umfang zu verpflichten.
Trotzdem sind aber Erben und Rechtsnachfolger bei jedermann immer nur die
eigenen Kinder;
Testamente***** gibt es bei ihnen nicht. Sind keine Kinder da, so erben zunächst
die Brüder und dann
die Oheime – und zwar zunächst von väterlicher, dann von mütterlicher Seite. Je
mehr Blutsverwandte
einer hat, je größer die angeheiratete Verwandtschaft ist, desto liebevollerer
Verehrung erfreut er sich im
Alter. Kinderlosigkeit bringen keinen Vorteil.
*In Rom wurde damals das Neugeborene von der (in der Regel griechischen) Amme
gestillt; die Kinder wurden von dem
meist fremdländischen Gesinde betreut und vielfach verzogen. In dem Fehlen der
mütterlichen Fürsorge und Erziehung erblickt
Tacitus (wie er im Dialog über die Rede genauer anführt) einen Hauptgrund für
den römischen Sittenverfall.
**Beide wuchsen zusammen auf, spielten und hüteten gemeinsam das Kleinvieh.
***Wie es in bäuerlichen Verhältnissen der Fall zu sein pflegt, wurden auch bei
den Germanen die Ehen verhältnismäßig früh
geschlossen (vgl. Cäsars Mitteilung, dass es bei den Germanen für die größte
Schande galt, vor dem 20. Lebensjahr Umgang
mit einer Frau gehabt zu haben). Aber in Rom lag die Ehefähigkeit für den
Jüngling bei 14, für das Mädchen bei 12 Jahren.
****Da die germanische Frau wohl durch die Sitte geschützt war, aber weniger
durch das Recht, war es eine zweckmäßige
Maßnahme, dass der Bruder bei etwaigen Übergriffen des Mannes seiner Schwester
beistehen konnte.
*****Das germanische Erbrecht beruhte auf der (Bluts-) Verwandtschaft, daher
waren Testamente überflüssig. Später setzten
sich bei den Germanen immer stärker die römischen Rechtsanschauungen durch.
21. Fehde und Gastfreundschaft
Fehden des Vaters oder eines Verwandten müssen vom Erben ebenso mit übernommen
werden wie
Freundschaften. Doch dauern jene nicht unversöhnlich fort; selbst Totschlag kann
mit einer bestimmten
Anzahl von Rindern oder Kleinvieh gesühnt werden. An dem Wergeld hat die ganze
Sippe Anteil. Dieser
Brauch wirkt sich zum allgemeinen Vorteil aus; denn bei der großen
Ungebundenheit können Feindschaften
leicht um so gefährlicher werden.
Geselligkeit und Gastfreundschaft pflegen die Germanen so schrankenlos wie kein
anderes Volk.
Irgendeinen Menschen das Obdach zu verweigern, gilt als frevelhaft. Jeder
bewirtet seinen Mitteln entsprechend
den Gast, so gut er es vermag. Sind die ihm zugedachten Vorräte aufgezehrt*,
dann macht der
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Wirt seinen Gast auf eine andere Unterkunft aufmerksam und gibt ihm in eigener
Person das Geleit. Uneingeladen
treten beide in der nächsten Siedlung ein und werden mit der gleichen
Freundlichkeit aufgenommen.
Zwischen Bekannten und Unbekannten kennt das Gastrecht keinen Unterschied.
Äußert der
Gast beim Scheiden einen Wunsch, so erfordert es der Anstand, ihn zu erfüllen;
mit derselben Unbefangenheit
darf auch der Gastgeber seinerseits vom Gast etwas ausbitten. Man hat an
Geschenken Freude,
doch rechnet man sie dem Beschenkten nicht an; ebenso fühlt man sich durch die
Annahme von Geschenken
nicht selbst verpflichtet.
*Z.B. das etwa für den Gast erlegte Wild. Im übrigen erforderte es die gute
Sitte, die Gastfreundschaft nicht länger als drei
Tage in Anspruch zu nehmen. Die Begleitung zur nächsten Siedlung erfolgte, um
den Gast vor Unheil zu schützen, aber auch,
um ein etwaiges Unrecht des Gastes zu verhindern.
22. Vom Leben im Hause
Unmittelbar nach dem Schlaf, der sehr häufig bis in den Tag hinein ausgedehnt
wird, waschen sich die
Germanen öfter warm, da ja bei ihnen der Winter den größten Teil des Jahres
ausmacht. Nach dem Waschen
nehmen sie das Frühstück ein, wobei jeder seinen Stuhl und ein besonderes
Tischchen hat. Dann
gehen sie an ihre Geschäfte, doch ebenso oft zu einen Gelage*, und zwar stets in
Waffen. Tag und Nacht
durchzuzechen, ist für niemanden eine Schande. Streitigkeiten, wie sie ja bei
Betrunkenen leicht vorkommen,
enden selten mit bloßen Schimpfreden, häufiger mit Verletzungen oder Totschlag.
Doch auch wenn Verfeindete miteinander ausgesöhnt oder Ehen geschlossen werden
sollen, wenn
jemand unter die Edelinge aufgenommen, ja sogar über Krieg und Frieden beraten
werden soll, so geschieht
das zumeist bei Becherklang, als wenn der Mensch gerade dann besonders
offenherzig und für
edle Gedanken empfänglich wäre. Dieses Volk, nicht verschlagen noch
durchtrieben, gibt in ausgelassener
Fröhlichkeit auch heut noch die sonst tief in der Brust gehüteten Geheimnisse
preis; daher liegt die
Meinung aller unverhüllt und offen da. Am nächsten Tag wird die Beratung noch
einmal wieder aufgenommen.
Die Behandlung der gleichen Sache zu zwei so ganz verschiedenen Zeitpunkten hat
ihren guten
Grund: Man hält Rat, wenn man sich nicht verstellen kann; man trifft die
Entscheidung, wenn man – wieder
nüchtern – nicht irren kann.
*Schon die Gesprächsstoffe lassen erkennen, dass es sich hier in der Hauptsache
um die Verhältnisse bei den Edelingen handelt.
Solche Trinkgelage müssen Ausnahmen gewesen sein; anderenfalls hätten die
Germanen das römische Reich kaum zu
Fall bringen können. Zum Verständnis ist auch zu beachten, dass es damals noch
keine Gasthäuser gab und die Geselligkeit
sich nur im Hause abspielte. Bier und andere Getränke wurden im einzelnen
Haushalt von den Frauen für bestimmte Feste
hergestellt; für längere Zeit waren sie nicht haltbar. Wein konnten sich nur die
Reichsten öfter leisten.
23. Vom Essen und Trinken
Als Getränk dient den Germanen ein Gebräu* aus Gerste oder Weizen, das durch
Gärung in eine Art
Wein verwandelt wird. Außerdem kaufen die Anwohner des Rheins und der Donau
echte Weine.
Die Speisen sind einfach: wildwachsendes Obst, frischerlegtes Wild** oder auch
Quarkkäse. Ohne
umständliche Zubereitung, ohne besondere Gewürze*** wird der Hunger gestillt. Im
Trinken wissen
sie weniger Maß zu halten. Würde man ihrer Trunksucht Vorschub leisten und ihnen
die Möglichkeit
bieten zu trinken, soviel ihr Herz begehrt, könnte man sie durch diese ihre
Charakterschwäche wohl leichter
zu Grunde richten als durch Kriege.
*Außer diesem „Bier“ verstanden sich die Germanen auch für die Bereitung von Met
(gegärt aus Honig und Wasser) sowie
Obst- bzw. Beerenweinen.
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**Entsprechend dem Klima spielte die Fleischkost bei den Germanen eine größere
Rolle als in Italien. Vorzugsweise wurde
natürlich das Fleisch von Haustieren verzehrt; denn Viehzucht und Ackerbau
trieben die Germanen seit jeher. – Die Brotnahrung
wird von Tacitus nicht besonders erwähnt. Angebaut wurde vor allem Roggen und
Hafer, aber auch Gerste, Weizen und
Flachs.
***Die Germanen würzten nur mit Salz.
24. Waffentanz und Würfelspiel
An Schauspielen kennen sie nur eine einzige Art, die bei jeder festlichen
Zusammenkunft wiederkehrt.
Jünglinge mit nacktem Oberkörper führen zwischen Schwertern und drohend
gefällten Lanzen einen
Tanz* auf; sie betreiben das als Sport. Durch vieles Üben ist ihre
Geschicklichkeit immer größer geworden,
ihre Bewegungen immer anmutiger. Doch zeigen sie ihre Kunst nicht zum Erwerb
oder für Geld –
Freude der Zuschauer ist der einzige Lohn ihrer kecken Waghalsigkeit.
Das Würfelspiel betreiben die Germanen seltsamerweise auch in nüchternem
Zustande und so, als
ob es sich dabei um ernste Angelegenheiten handelte. Sie tun das mit solch
blinder Leidenschaft im Gewinnen
und Verlieren, dass sie beim letzten, entscheidenden Wurf um die eigene Freiheit
spielen. Der
Verlierer nimmt ohne Widerstreben das Sklavenlos auf sich. Auch wenn er der
jüngere und stärkere ist,
lässt er sich binden und verkaufen; so groß ist der Starrsinn der Germanen an
falscher Stelle; sie selbst
nennen das Treue. Übrigens geben sie einen auf solche Weise erworbenen Sklaven
auf dem Handelswege
weiter, um sich und dem anderen Beschämung** zu ersparen.
*Ursprünglich dürfte der Waffentanz eine religiöse Feierhandlung zu Ehren des
Kriegsgottes gewesen sein.
**Nämlich: dass aus dem Spielgenossen ein Sklave geworden ist. Im übrigen werden
solche Fälle schon deshalb eine sehr
große Seltenheit gewesen sein, weil die Sippe des Verlierers dem Gewinner
Schwierigkeiten machen konnte.
25. Die Stellung der Sklaven und Freigelassenen
Die Verwendung der anderen Sklaven erfolgt nicht in derselben Weise wie bei uns,
wo die einzelnen
Dienstleistungen auf das Gesinde genau verteilt sind. Vielmehr hat jeder Sklave*
Haus und Hof, wo er
frei schalten darf. Seinem Herrn muss er wie ein Pächter eine bestimmten Menge
an Getreide, Vieh oder
Web- und Spinnstoffen abliefern, und nur so weit geht seine Verpflichtung. Im
übrigen werden die Arbeiten
im Haushalt des Herrn von seiner Gattin und den Kindern besorgt. Es ist eine
Seltenheit, wenn ein
Sklave geschlagen, gefesselt oder in Fronarbeit eingespannt wird. Eher passiert
es schon, dass der Herr
einen Sklaven totschlägt. Das geschieht dann aber nicht, um dadurch eine
exemplarische Strafe zu verhängen,
sondern in einer plötzlichen Aufwallung des Zornes, als wenn jemand seinen
persönlichen Feind
niedersticht. Allerdings wird Totschlag an einem Sklaven nicht bestraft**.
Die Freigelassenen stehen nicht viel höher als die Sklaven. Selten besitzen sie
irgendwelchen Einfluss
im Hause ihres Herrn, niemals in der Gemeinde. Eine Ausnahme hiervon bilden die
Völker, die unter
straffer Königsherrschaft*** stehen: Dort steigen die Freigelassenen über die
Gemeinfreien und sogar
über die Edelinge empor. Deshalb ist bei den anderen Stämmen die untergeordnete
Stellung der Freigelassenen
ein Beweis dafür, dass daselbst politische Freiheit herrscht.
*Das galt wohl nur für die Hörigen, nicht für die eigentlichen Sklaven
(Knechte), die meist im Hause des Herrn Dienste verrichteten.
Während aber in den reicheren Häusern Roms eine unverhältnismäßig hohe Zahl von
männlichen und weiblichen
Sklaven für die Verrichtung der einzelnen häuslichen Arbeiten zur Verfügung
stand, traten bei den Germanen solche Haussklaven
ungleich weniger in Erscheinung. Bei ihnen war neben der Wartung des Viehs, das
Kochen, Brotbacken und Bierbrauen
im allgemeinen Sache der Frauen und Kinder, ebenso das Spinnen und Weben, das
Nähen und Waschen. Der Mann übernahm
u.a. die anfallenden Schreiner- und Schmiedearbeiten, das Schlachten der Tiere,
die Verarbeitung der Häute und Felle.
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An der Feldbestellung beteiligten sich sämtliche Mitglieder der Familie nach
ihren Kräften, soweit die Äcker nicht den Hörigen
zu Bewirtschaftung überlassen waren.
**Rechtlich war eben auch bei den Germanen der Sklave nichts anderes als eine
Sache; nur war seine Behandlung viel
menschlicher als in Rom.
***Der römische Leser dachte dabei unwillkürlich an den großen Einfluss, den
Freigelassene unter manchen römischen Kaiser
zu erringen vermochte.
26. Landwirtschaft
Geld und Zinsen auszuleihen und Zinsgeschäfte* zu machen, ist den Germanen ein
unbekannter Begriff;
und solche Unkenntnis ist wirksamer, als wenn Verbote beständen.
Der für den Ackerbau ausersehene Grund und Boden wird entsprechend der Zahl der
vorhandenen Bebauer
von der Gesamtheit zum allgemeinen Nutzen für eine Reihe von Jahren in Besitz**
genommen und
dann nach Maßgabe des Ansehens*** der einzelnen Familie zu Bearbeitung
aufgeteilt****. Das geht
ohne Schwierigkeiten vor sich, das weite Landstrecken zur Verfügung stehen.
Innerhalb des jedem zugeteilten Landstückes wechseln die Bebauer alljährlich die
Anbaufläche,
und immer bleibt anbaufähiges Land unbestellt. Denn die Germanen nutzen die
Ergiebigkeit des Bodens
und seine Weiträumigkeit nicht durch intensive Bearbeitung aus, wie wir es tun;
sie legen keine Obstpflanzungen
an und kennen weder Wiesenkultur noch Bewässerung der Gärten*****. Es wird nur
Getreide
gesät; und man erwartet, dass die Erde es zur Reife bringt.
Daher unterscheiden sie auch nicht so viele Jahreszeiten****** wie wir. Nur für
Winter, Frühling
und Sommer haben sie Begriff und Bezeichnung; den Herbst kennen sie weder dem
Namen noch den
Gaben nach.
*Während in Innern Germaniens noch durchaus die Naturalwirtschaft (Tauschhandel)
vorherrschte (vgl. Kap. 5), bestand in
Italien schon ein ausgedehntes Bankwesen mit Überweisungen, Kreditbriefen usw.
**Ob es sich bei dieser Besitznahme um bisher unbebauten Boden handelte, der von
Strauchwerk und Bäumen frei gemacht
werden musste, oder etwa um erobertes Gebiet, sagt uns Tacitus nicht.
***Die Größe der Zuteilung richtet sich nach Rang und Würde des Betreffenden;
wir haben es danach schon mit Anfängen
einer Individualwirtschaft und wohlgeordneten Verhältnissen zu tun. – Wenn Cäsar
berichtet, die Germanen hätten keinen
Eigenbesitz an Grund und Boden gehabt, sondern die Äcker gemeinschaftlich
bestellt, die Ernte geteilt und Feldmarken sowie
Wohnstätten jährlich gewechselt, so hat er offenbar Verhältnisse
westgermanischer Stämme, die sich auf der Suche nach neuem
Wohnraum südwärts verschoben, verallgemeinert.
****In Italien stand den wenigen Besitzern von Riesengütern (Latifundien) die
große Masse der völlig besitzlosen Proletarier
gegenüber.
*****Wie der Ackerbau, war auch der einfachere Gemüsebau den Germanen seit jeher
bekannt. Aber die intensive Bewirtschaftung
des Ackerlandes, die Mehrzahl der Küchengemüse, den vereinfachten Obst- und
Gartenbau sowie den Weinbau
übernahmen die Germanen erst von den Römern, wie sich aus den Namen der meisten
Gartengewächse und Fruchtarten ergibt.
******Ursprünglich wurde überhaupt nur zwischen Winter und Sommer unterschieden.
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27. Totenbestattung
Bei den Leichenbegängnissen herrscht keinerlei Gepränge. Nur nimmt man darauf
Bedacht, dass die Leichen
berühmter Männer im Feuer bestimmter Holzarten* verbrannt werden. Der
Scheiterhaufen wird
nicht mit Teppichen und Räucherwerk überladen; seine Waffen** werden einem jeden
beigegeben, bei
manchen wird auch das Ross mitverbrannt. Hochragende, kunstvolle Grabdenkmäler
werden vermieden;
sie erscheinen den Germanen als eine Last für den im Grabe Ruhenden, nicht als
eine Ehrung. Das Klagen
und Weinen währt nur kurz, Schmerz und Gram halten lange an. Für eine Frau
schickt sich sichtbare
Trauer, für den Mann ein treues Gedenken.
Das ist alles, was ich im allgemeinen über Ursprung und Sitten der Germanen
insgesamt erfahren
habe. Nunmehr will ich die Einrichtungen und Gebräuche einzelner Völkerschaften,
soweit sie anders
sind, schildern und dabei auch bemerken, welche Germanenstämme nach Gallien
eingewandert sind.
*Nach den Bodenfunden Eiche, Buche, Kiefer, Wacholder. – Seit dem 8. Jahrhundert
v. 0 waren die Germanen von der ursprünglichen
Erdbestattung allgemein zur Leichenverbrennung übergegangen; das Christentum
hatte die Feuerbestattung wieder
verboten.
**Den Frauen wurden, wie die Bodenforschung lehrt, Nadeln, Messer usw.
mitgegeben, den Kindern ihr Spielzeug.
II. Teil: einzelne Stämme Germaniens
28. Nichtgermanen rechts des Rheins und links der Donau. Germanen links des
Rheins
Dass die Gallier einst überlegen waren, bezeugt ein Gewährsmann ersten Ranges,
der göttliche Julius
Cäsar. Man darf daher annehmen, dass auch Gallier nach Germanien hinübergezogen*
sind. Denn wie
wenig hinderte der Strom, dass ein Stamm, der gerade erstarkt war, neue
Wohnsitze ,einnahm, wenn sie
noch allgemein zugänglich und nicht unter königliche Gewalthaber aufgeteilt
waren!
So hausten zwischen dem herkynischen Walde, dem Rhein und dem Main die Helvetier
und weiter
ostwärts die Bojer, beides gallische Stämme. Der Name Boihämum ist bis heute
geblieben und gibt
Kunde von der Vorzeit des Landes, wenn auch die Bewohner gewechselt haben.
Ob jedoch die Aravisker aus dem Gebiet der Oser, eines germanischen Stammes,
nach Pannonien
oder die Oser von den Araviskern aus nach Germanien gewandert sind - beide
Völkerschaften haben noch
heute dieselbe Sprache, dieselben Einrichtungen und Gebräuche - steht nicht
fest; denn ehedem bot das
Land nördlich wie südlich der Donau bei gleicher Armut und Unabhängigkeit
dieselben Vorzüge und
Nachteile.
Die Treverer und Nervier rühmen sich allzu sehr ihres Anspruchs auf germanische
Herkunft, als
schlösse schon ein solcher Adel des Blutes die Verwechslung mit gallischer
Schlaffheit aus. Am Rheinufer
selbst wohnen unzweifelhaft Germanenstämme: die Vangionen, Triboker und Nemeter.
Auch die
Ubier schämen sich ihres Ursprungs nicht, obwohl ihnen ihre Verdienste die
Stellung einer römischen
Kolonie eingebracht haben und sie sich lieber nach der Gründerin ihrer Stadt als
Agrippinenser bezeichnen.
Sie haben vor Zeiten den Rhein überschritten und wurden, da ihre Treue sich
bewährte, unmittelbar
am Ufer angesiedelt, als Wächter, nicht als Bewachte.
*Die römischen Schriftsteller gingen von der irrigen Vorraussetzung aus, dass
Gallien (Frankreich) die Urheimat der Kelten
sei. In Wirklichkeit verhält es sich so, dass die ursprünglich im westlichen
Mitteleuropa wohnenden Kelten sich vor den aus
dem Norden und Nordosten andrängenden Germanen in langen Zeiträumen immer mehr
nach Süden und Südwesten zurückziehen
mussten; dabei sind versprengte Reste der Kelten unter germanischer Herrschaft
zurückgeblieben.
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29. Rechtsrheinische Germanen im Verband des römischen Reiches. Zehntland
Von allen diesen Stämmen sind die Bataver am tapfersten. Sie bewohnen einen
Streifen am linken Ufer
und in der Hauptsache die Rheininsel. Ursprünglich ein Zweig der Chatten, zogen
sie wegen inneren
Zwistes in die jetzigen Wohnsitze, wo sie dem römischen Reiche einverleibt
werden sollten. Die Ehre und
Auszeichnung alter Bundesgenossenschaft hat bis heute Bestand; denn kein Zins
demütigt sie, und kein
Steuerpächter presst sie aus. Frei von Lasten und Abgaben und einzig
Kampfzwecken vorbehalten, werden
sie wie Wehr und Waffen für Kriege aufgespart.
In gleicher Abhängigkeit steht der Stamm der Mattiaker. Denn die Hoheit des
römischen Volkes
hat sich auch jenseits des Rheines und jenseits der alten Reichsgrenzen Achtung
verschafft. So haben sie
Gebiet und Wohnsitz auf germanischer Seite, doch Herz und Gesinnung bei uns. im
übrigen gleichen sie
den Batavern, nur dass Bodenbeschaffenheit und Klima ihres Landes sie mit noch
größerer Lebhaftigkeit
begabt haben.
Nicht zu den Völkerschaften Germaniens möchte ich die Leute rechnen, die das
Zehntland*
bebauen, wenn sie sich auch jenseits von Rhein und Donau angesiedelt haben;
gallisches Gesindel und
aus Not Verwegene eigneten sich den umstrittenen Boden an. Bald darauf wurden
der Grenzwall angelegt
und die Wachen vorgeschoben; seither gilt das Gebiet als Vorland des Reiches und
Teil der Provinz.
*Die Grenze zwischen dem römischen Reich und den Germanen wurde im allgemeinen
durch Rhein und Donau gebildet (vgl.
Kap. 1). Zur Abkürzung des durch beide Flüsse gebildeten Winkels besetzten aber
die Römer das nur dünn bevölkerte Gebiet
nördlich der oberen Donau und nannten es – wohl nach dem Zehnten, den die
Pächter von dem Ernteertrag zu entrichten hatten
– das Zehntland. Dann riegelten sie es nach dem freien Germanien hin durch einen
Grenzwall (Limes) ab, der ungefähr bei
Rheinbrohl-Hönningen begann und bei Kelheim an der Donau endete (Länge etwa 500
km). Dieses Zehntland wurde (ebenso
wie die linksrheinischen Provinzen Ober- und Niedergermanien) mit der Zeit
römische Kulturlandschaft.
30. Chatten (1)
Weiter nördlich beginnt mit dem herkynischen Walde das Land der Chatten; sie
wohnen nicht in so flachen
und sumpfigen Gebieten wie die übrigen Stämme, die das weite Germanien aufnimmt.
Denn die
Hügel dauern an und werden erst allmählich seltener, und so begleitet der
herkynische Wald seine Chatten
und endet mit ihnen.
Bei diesem Volk sind kräftiger die Gestalten, sehnig die Glieder, durchdringend
der Blick und
größer die geistige Regsamkeit. Für Germanen zeigen sie viel Umsicht und
Geschick: sie stellen Männer
ihrer Wahl an die Spitze, gehorchen den Vorgesetzten, kennen Reih und Glied,
nehmen günstige Umstände
wahr, verschieben einmal einen Angriff, teilen sich ein für den Tag, verschanzen
sich für die Nacht;
das Glück halten sie für unbeständig und nur die eigene Tapferkeit für
beständig. Und was überaus selten
und sonst allein römischer Kriegszucht* möglich ist: sie geben mehr auf die
Führung als auf das Heer.
Ihre Stärke liegt ganz beim Fußvolk, dem sie nicht nur Waffen, sondern auch
Schanzzeug und Verpflegung
aufbürden; andere sieht man in die Schlacht ziehen, die Chatten in den Krieg.
Selten kommt es zu Streifzügen und nicht geplantem Kampf. Es ist ja auch die Art
berittener
Streitkräfte, rasch den Sieg zu erringen und rasch wieder zu entweichen; doch
Schnelligkeit grenzt an
Furcht, Zögern kommt standhaftem Mute näher.
*Die Chatten ahmten zwar Roms Kriegskunst nach, lehnten aber sonst im Gegensatz
zu den in Kap. 28 und 29 genannten
Germanen jeden römischen Einfluss ab.
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31. Chatten (2)
Ein Brauch, der auch bei anderen germanischen Stämmen vorkommt, jedoch selten
und als Beweis vereinzelten
Wagemuts, ist bei den Chatten allgemein üblich geworden: mit dem Eintritt in das
Mannesalter
lassen sie Haupthaar und Bart wachsen*, und erst, wenn sie einen Feind
erschlagen haben, beseitigen sie
diesen der Tapferkeit geweihten und verpfändeten Zustand ihres Gesichtes. Über
dem Blut und der Waffenbeute
enthüllen sie ihre Stirn und glauben, erst jetzt die Schuld ihres Daseins
entrichtet zu haben und
des Vaterlandes sowie ihrer Eltern würdig zu sein. Die Feigen und Kriegsscheuen
behalten ihren Wust.
Die Tapfersten tragen überdies einen eisernen Ring** - sonst eine Schande bei
diesem Stamme -
wie eine Fessel, bis sie sich durch Tötung eines Feindes davon befreien. Vielen
Chatten gefällt dieses
Aussehen, und sie werden grau mit ihren Kennzeichen, von Freund und Feind
gleichermaßen beachtet.
Sie eröffnen jeden Kampf; sie sind stets das vorderste Glied, ein befremdender
Anblick; denn auch im
Frieden nimmt ihr Gesicht kein milderes Aussehen an. Keiner von ihnen hat Haus
oder Hof oder sonstige
Pflichten; wen immer sie aufsuchen, von dem lassen sie sich je nach den
Verhältnissen bewirten; sie sind
Verschwender fremden und Verächter eigenen Gutes, bis das kraftlose Alter sie zu
so rauhem Kriegerdasein
unfähig macht.
*Der freie Germane trug langes Haar, das er natürlich pflegte (Kämme und
Schermesser sind durch Bodenfunde als Grabbeigaben
erwiesen). Die Besonderheit bei den Jungmannen der Chatten bestand darin, dass
sie Haupt- und Barthaar wild wachsen
und ungekämmt ins Gesicht hängen ließen. Erst nach Erlegung eines Feindes
strichen sie ihr Haar aus der Stirn und pflegten es
von da an.
** Durch die Anlegung des eisernen Ringes weihte sich der Krieger gleichsam zum
Knecht des Kriegsgottes; doch wir wissen
nicht, ob es sich dabei um einen Hals- und Armreifen handelte oder um einen
Fingerring.
32. Usiper und Tenceterer
Den Chatten zunächst, wo der Rhein noch ein festes Bett hat und als Grenzscheide
genügt, wohnen die
Usiper und Tenkterer. Die Tenkterer überragen den üblichen Kriegsruhm durch ihre
vorzüglich geschulte
Reiterei, und ebenso großes Ansehen wie das Fußvolk der Chatten genießt die
Reitertruppe der Tenkterer.
So führten es die Vorfahren ein und halten es auch die Nachkommen; hierin
besteht das Spiel der Kinder,
hierin der Wetteifer der Jugend und die ständige Übung der Alten. Wie das
Gesinde, der Wohnsitz und
alle Rechte der Nachfolge vererben sich auch die Pferde; ein Sohn empfängt sie,
doch nicht, wie alles
andere, der erstgeborene, sondern jeweils der streitbarste und tapferste.
33. Bructerer, Chamaver und Angrivarier
In der Nähe der Tenkterer stieß man einst auf die Brukterer; jetzt sind, wie es
heißt, die Chamaver und
Angrivarier dorthin gezogen. Denn die verbündeten Nachbarstämme hatten die
Brukterer geschlagen und
gänzlich ausgerottet, aus Erbitterung über ihren Hochmut oder aus Beutelust oder
weil die Götter uns eine
Gunst erzeigten; denn sie gewährten uns sogar das Schauspiel der Schlacht. Über
60 000 sind dort gefallen,
nicht durch römische Wehr und Waffen, sondern, was noch erhebender ist, ganz zu
unserer Augenweide*.
Es bleibe**, so flehe ich, und bestehe fort bei diesen Völkern, wenn nicht Liebe
zu uns, so doch
gegenseitiger Hass; denn bei dem lastenden Verhängnis des Reiches kann das
Geschick nichts Besseres
mehr darbieten als die Zwietracht der Feinde.
*Vom hochgelegenen Lager Xanten aus konnten die Römer tief ins Bructererland
hineinblicken, Zuschauern gleichend, die
sich an Gladiatorenspielen erfreuen.
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** Das deutsche Grundübel der Uneinigkeit hat schon Tacitus zutiefst erfühlt.
Ebenso hat er früher als andere die vom Norden
her dem römischen Imperium drohende Gefahr vorausgesehen und war darum von
schwerer Sorge für dessen Fortbestand
erfüllt.
34. Dulgubnier, Chasuarier und Friesen
An die Angrivarier und Chamaver schließen sich südostwärts die Dulgubnier und
Chasuarier an sowie
andere, weniger bekannte Stämme; im Norden
Seite:274 ...n. 429 setzten sie nach Nordafrika über und gründeten dort ein Reich, das 534 unterging. Vandilier (Wandilier): Im 1. Jahrhundert eine Gruppe von östlichen Germanenstämmen. Der Name wurde anscheinend von den V... |