Ottokar I. Přemysl (*
um 1155 in Königstädtel (?);
† 15.
Dezember 1230),
Sohn von Vladislav
II. und Judith
von Thüringen, war König von Böhmen aus
der Dynastie der Přemysliden.
Er setzte die Erhebung seines Landes zum erblichen Königreich durch.
Ottokar I. kämpfte lange Zeit mit verschiedenen Prätendenten
um die Herrschaft. Zunächst wurde er von seinem älteren Bruder Friedrich 1179
als Markgraf von
Mähren eingesetzt und hatte 1192/1193 auch kurz die böhmische Herzogswürde
inne. Als Ottokar in der Auseinandersetzung zwischen Staufern und Welfen die
Seiten wechselte, wurde er 1194 von Heinrich
VI. abgesetzt und musste seinem
früheren Verbündeten Heinrich
Bretislav III., Bischof von Pragweichen,
der vom König als böhmischer Herzog eingesetzt worden war.
Am 22. Juni 1197 wurde sein Bruder Vladislav
Heinrich zum Herzog erhoben.
Kurz darauf schloss Ottokar mit ihm einen Ausgleich, dem zufolge Vladislav das
Markgrafentum Mähren als
böhmisches Lehen, Ottokar selbst den böhmischen Thron erhielt. Damit waren
beide Teilfürstentümer für kurze Zeit wieder getrennt. Im September 1198
erwarb Ottokar von Philipp
von Schwaben als Belohnung für
seine Gefolgschaft die Königswürde (Einigung am 8. September in Mainz)
und wurde wenige Tage später in Boppard gekrönt.
Dabei handelte es sich erstmals in der Geschichte Böhmens nicht um eine
persönliche, sondern um eine erbliche Krone.
1203 wurde Ottokar zwar von Philipp abgesetzt, weil er
parteiflüchtig wurde und seine Gemahlin Adelheid
von Meißenverstieß, erlangte aber dafür Anerkennung seiner Herrschaft
durch Innozenz
III. und Otto
von Braunschweig; 1204 versöhnte er sich wieder mit Philipp. Mit Otto, den
er anfangs anerkannt hatte, entzweite er sich wieder und schloss sich 1212 Friedrich
II. an, der 1212 in der
Goldenen Sizilianischen Bulle das böhmische Erbkönigtum endgültig anerkannte
und Ottokar als „vornehmsten Reichsfürsten“ bezeichnete.
1216 regelte er seine Nachfolge, indem er seinen Sohn Wenzel zum
König wählen ließ. Um 1200 war zudem die mährische Nebenlinie der Přemysliden
endgültig erloschen, so dass die beiden Reichsteile Böhmen und Mähren von
diesem Zeitpunkt an eine Einheit bildeten. Alle folgenden böhmischen Könige
trugen auch den mährischen Markgrafentitel, der ihnen in der Regel bereits in
ihrer Funktion als Thronfolger verliehen wurde.
Während der Herrschaft Ottokars und seines Sohnes Wenzel kam
es in Böhmen zu weit reichenden gesellschaftlichen Veränderungen. Bisher nicht
besiedelte Gebiete wurden zunehmend kolonialisiert. Neben böhmischen
Einwohnern wanderten zunehmend auch Deutsche ein, die neue Siedlungen und
Städte gründeten. Dies führte nicht nur zum Anwachsen der Bevölkerung, sondern
auch zur Intensivierung der Landwirtschaft und Einführung neuer Anbaumethoden.
Auch die Verordnungen, Gesetze und die Besitztumsverhältnisse mussten neu
definiert oder geändert werden. Die Überschüsse aus der Landwirtschaft, aber
auch aus dem aufblühenden Handwerk mussten abgesetzt werden. Neue Handelswege
und -beziehungen entstanden, die Geldbewirtschaftung musste angepasst werden.
Der zunehmende Bedarf an Edelmetallen wie Metallen überhaupt führte zur
wachsenden Bedeutung des Bergbaus.
Die Struktur der Siedlungen und Städte änderte sich, ein neuer
Stand der Bürger kam hinzu. Es entstanden neue Schichten der Verwalter, die
sich an dem Adelsstand orientierten, daneben Handwerker, Händler, Unternehmer.
Eine immer größere Bedeutung erlangten vor allem die Gutsbesitzer. Die
Erfolgreichen gelangten in den Umkreis der Macht, die weniger Erfolgreichen
sammelten sich um die Erfolgreichen, dem Adelsstand, der sich meist aus den
Erträgen seiner Lehen finanzierte. Wichtiges Symbol der Anerkennung der
böhmischen Herrscher wurde das Recht, den Königstitel zu vererben. Neben dem
Erwerb der erblichen Königskrone setzte Ottokar I. auch die Primogenitur durch,
was die jahrhundertelange Destabilisierung Böhmens durch das Senioratsprinzip beendete.
Veränderungen gab es auch bei der Kirche. Deren Selbständigkeit und
eigenständige innere Verwaltung wurde anerkannt, ihre Einmischung in
politische Entscheidungen musste oft hingenommen werden.
Inhaltsverzeichnis:
1. Nachkommen
2. Literatur
3. Weblinks
1. Nachkommen
Ottokar war zweimal verheiratet, zunächst mit Adelheid
von Meißen, mit der er je nach Quelle drei, vier Kinder hatte, und ab 1198
mit Konstanze
von Ungarn, mit der er je nach Quelle weitere acht, neun Kinder zeugte.
1. Ehe (1178)
mit Adelheid
von Meißen:
2. Ehe (1198) Konstanze
von Ungarn:
- Vratislav (um 1200- ?)
- Judith, auch Jutta, Judita
Přemyslovna, (? -1230) ∞ (1213) mit Bernhard
von Spanheim
-
Anna von Böhmen, auch Anna
Lehnická, (1204-1265) ∞ Heinrich
II.
-
Wenzel I., auch Václav I. (1205-1253)
- Vladislav II., Markgraf von Mähren (1207-1227)
-
Přemysl, Markgraf von Mähren (1209-1239)
- Blaschena, auch Wilhelmina, Blažena, Vilemína
Česká oder Guglielma (1210-1281)
-
Agnes von Böhmen (1211-1282)
2. Literatur
3. Weblinks
Normdaten: Personennamendatei
(PND): 11949129X
Weitere Sprachen: Français,
English,
Español,
Italiano,
日本語,
Nederlands,
Polski,
Esperanto,
Slovenčina,
Svenska,
Suomi,
Mehr…
Vladislav II. (*
um 1110; † 18.
Januar 1174 in predium
Mer (Meerane))
war ein böhmischer Herzog,
der den Königstitel für sich und sein Reich sicherte.
Inhaltsverzeichnis:
1. Leben
2. Gattinnen und Nachkommen
3. Fußnoten
1. Leben
1. 1. Wahl zum Herzog
Der älteste Sohn von Vladislav
I. und Richinza von Berg erlebte
eine abenteuerliche Jugend. Unter der Herrschaft seines Onkels Soběslav
I. verließ er 1133 Böhmen und
ging nach Bayern zu
Verwandten. 1133 sollte er ein kleines Heer aufbauen, welches der böhmische
Herzog dem Kaiser zur Verfügung stellen wollte. Er nahm das Geld und verschwand
nach Ungarn.
Nach dem Tod seines Onkels wurde er 1140 von den Ständen zum Herzog berufen,
obwohl sie selbst zwei Jahre zuvor Soběslavs Sohn zum Herzog gewählt hatten. Der
Kaiser bestätigte die Wahl und Vladislav ging nachPrag zurück.
1142 versuchte eine Gruppe mährischer Adliger
Vladislav zu stürzen. Konrad
II. von Znaim stellte ein Heer
auf, mit dem er in Böhmen einmarschierte.
Bei der Schlacht bei Malesitz (heute Malešice, Stadtteil von Prag) siegte
zunächst Vladislav, aber durch einen Verrat in seinem Heer musste er sich
schließlich zurückziehen. In Prag angekommen,
überließ er die Verteidigung der Stadt seinem Vertreter Děpold und ritt zu König Konrad
III. nach Würzburg,
um dort um Hilfe zu ersuchen. Fürst Theobald (Děpold,
Dippold) verteidigte erfolgreich Prag und nach Ankunft der königlichen Armee
mussten sich die Mährer geschlagen geben. Vladislav nutzte diesen Sieg, um
Mähren, das in den Jahrzehnten zuvor immer wieder eine Quelle des Widerstands
gegen die böhmischen Fürsten gewesen war, bis 1144 endgültig unter die Prager
Herrschaft zu zwingen. Ein wichtiges Werkzeug dazu war die Zusammenarbeit mit
dem Bischof von Olmütz,Heinrich
Zdik. Kirchliche Güter und Untertanen wurden vollkommen der Herrschaft der
weltlichen Fürsten entzogen. Dies schwächte den mährischen Adel, in geringerem
Umfang aber auch den Prager Fürsten.
Unter Vladislav band sich Böhmen enger an das Reich.
So schloss sich der böhmische Fürst beim Zweiten
Kreuzzugnach Palästina 1147
dem Heer des Königs an. In dieser Zeit herrschte der päpstliche Legat Guido in
Böhmen. Vladislav absolvierte allerdings nur einen Teil des Weges. Er kam bis Agram,
wo er den byzantinischen Kaiser Manuel
I. traf und setzte seinen
Kreuzzug gegen heidnische Slawen über Kiew und Krakau fort.
1. 2. Vladislav wird König
Nach der Thronbesteigung Friedrich
Barbarossas kühlten sich die
Beziehungen zunächst ab, da der neue Kaiser die Nachkommen des Soběslav
favorisierte. Bald stellte Vladislav jedoch seine Treue zum neuen Kaiser unter
Beweis und wurde daraufhin in die Gnade Barbarossas aufgenommen. Seine
Beteiligung an Feldzügen nach Italien und Polenbrachten
ihm 1158 als zweitem aus dem Geschlecht der Přemysliden die
Königskrone für Böhmen ein. Am 11. Januar 1158 wurde er zum Herrscher gewählt.
Darüber hinaus sprach Barbarossa ihm Bautzen zu,
wodurch die böhmischen Herrscher nördlich des Erzgebirges wieder eine wichtige
Rolle spielen konnten. Darüber hinaus bestätigte der Kaiser die Tributpflicht
Polens für Schlesien und
unterstützte Vladislav bei der Expansion in das Stammesgebiet der Wilzen.
Selbst in den Auseinandersetzungen um die Thronfolge der Kiewer
Rus wurde Vladislav aktiv, ohne
letztendlich großen Einfluss ausüben zu können.
In den Sechziger-Jahren tat Vladislav II. sich bei
Auseinandersetzungen mit Ungarn hervor.
In Zeiten seiner Abwesenheit war es immer Theobald, der die Staatsgeschäfte
führte. Nachdem dieser 1167 an der Pest starb,
trübten sich die Beziehungen zum Kaiser wieder, vor allem als der Sohn
Vladislavs, Adalbert
III. zum Erzbischof
von Salzburgernannt wurde.
In der langen Herrschaft blühte das böhmische Land auf. Seine
Beziehungen zum Ausland brachten viele neue Einflüsse, vor allem im kulturellen
Bereich. Bereits unter seinen Vorgängern, aber verstärkt unter seiner
Herrschaft, kamen Reformorden nach Böhmen, wie etwa die Prämonstratenser, Zisterzienser und
später auch die Johanniter.
Es wurde eine Reihe von Klöstern gegründet,
unter anderem Kloster
Strahov, Kloster
Plasy, Kloster
Želiv und Kloster
Doksany. Um 1160 ließ er in Prag eine steinerne Brücke bauen.
1. 3. Spätphase der Herrschaft
Die Herrschaft Vladislavs stellt das endgültige Ende einer mehr
als hundert Jahre andauernden Krisenphase Böhmens dar. Das Land stabilisierte
sich als geschlossener Herrschaftsverbund. Zwar blieb Mähren ein eigenständiges
Markgrafentum, doch war der Markgraf ab dieser Zeit im Regelfall ein Prager Přemyslide.
Zudem war in den unruhigen Jahrzehnten zuvor der Einfluss des Adels und des
Reiches gewachsen, so dass Böhmen unter Vladislav II. und seinen Nachfolgern ein
stabiler und mächtiger Bestandteil des Reiches mit starker Adelsschicht wurde.
Seinen Ausdruck fand diese Entwicklung nicht zuletzt in der Verleihung der
Königswürde an Vladislav II.
In der Zeit seiner Herrschaft änderte sich auch der soziale
Status der Landesfürsten, was man später als territorialen Adelsstand
bezeichnete.[1] Das
ehemalige Benefit, in diesem Fall die zeitliche Überlassung eines Landesteiles
zur Erfüllung seiner Aufgaben und Dienste, wurde nun derart verwandelt, dass es
den Adeligen gänzlich und größtenteils vererbbar überlassen wurde. In den
Dörfern entstanden die ersten eigenen romanischen Kirchen,
deren Bau meist von den Landesfürsten in Auftrag gegeben wurde. Um diese Kirchen
befanden sich Siedlungen mit kleinen Festen. Nach den Ortsnamen bezeichneten
sich dann meist auch die Herrscher (älteste nachgewiesene Familien waren
Marquart de Dubraua [1146] und Bleh de Trebusen [1169]). Vor allem in bisher
nicht erschlossenen, bewaldeten Gebieten wurde das Land von der Krone den
jeweiligen Führern zur Kolonisierung überlassen. So entstanden die ersten
kleinen, aber oft schnell wachsenden alten böhmischen Adelsfamilien wie z. B.
die Hrabischitzer, Rosenberger, Bavor
von Strakonitzund andere.[2]
Zum Ende seines Lebens versuchte Vladislav seinem Sohn Friedrich
(Bedřich) ohne Wahl und
Zustimmung des Kaisers den Thron zu vererben. 1172 verzichtete er auf seine
Ämter und bestimmte Bedřich zum Herzog. Damit waren die guten Beziehungen zum
Kaiser endgültig gestört, zumal im Rahmen der Auseinandersetzung um die
Herrschaftsfolge auch die mährische Adelsopposition wieder erstarkte. Barbarossa
erkannte das Vorgehen nicht an und Bedřich musste zurücktreten. Als Soběslavs
Sohn Oldřich das
vom Kaiser angebotene Lehen ablehnte, weil er keine Unterstützung im böhmischen
Adel besaß, blieb nur noch Soběslav
II., der Herzog wurde.
Der alte König musste Böhmen verlassen. Er ging nach Thüringen auf
die Güter seiner zweiten Frau. Er starb 1174 inMeerane.[3] Seine
sterblichen Überreste wurden im Kloster
Strahov bestattet.
2. Gattinnen und Nachkommen
Vladislav II. war zweimal verheiratet. Seine erste Frau wurde
1140 Gertrud von Babenberg, Tochter des MarkgrafenLeopold
III. von Österreich. Sie starb am
8. April 1150 und hinterließ die Kinder Bedřich,
Anežka, Svatopluk und Vojtěch. Das zweite Mal heiratete Vladislav 1153 Judith,
Tochter des Landgrafen Ludwig
I., mit der er die KinderOttokar
I., Vladislav
Heinrich und Richsa hatte.
3. Fußnoten
-
Josef Žemlička: Čechy v
době knížecí. Praha 1997
-
Tomáš Velímský: Trans
montes ad fontes! K roli újezdů při středověké kolonizaci. středních a vyšších
poloh na území severozápadních Čech. Most
1998
- Allein der Dresdner Archäologie Reinhard
Spehr sprach sich für eine
Gleichsetzung von Mer mit Melaune in
der Oberlausitz aus; ders.: Christianisierung
und früheste Kirchenorganisation in der Mark Meißen. Ein Versuch. In:
Judith Oexle (Hrsg.): Frühe
Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher
Untersuchungen (=
Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie und Landesmuseum für
Vorgeschichte, Band 23). Stuttgart 1994, S. 8-63, hier S. 29. ISBN
3-8062-1094-2. Im Allgemeinen wird Mer mit Meerane gleich gesetzt. Dafür
spricht v.a. der namenkundliche Befund (Meerane. In:Ernst
Eichler (Hrsg.): Historisches
Ortsnamenbuch von Sachsen. Band 2. Berlin 2001, S. 21 und Melaune.
In: Ebenda, S. 28.). Siehe auch: Gerhard Billig: Irrweg
und Stagnation. Gedanken zur Quellengrundlage und Wirkung der neuen
Publikationen von Reinhard Spehr zur Frühgeschichte von Dresden und der
Oberlausitz. 2 Teile, In: Burgenforschung
aus Sachsen. Band 14 und
15/16, 2001 und 2003, S. 121-131 und S. 178-197.
Wenzel II. (tschechisch
Václav, polnisch Wacław) (* 27.
September 1271;
† 21.
Juni 1305 in Prag)
war ein König von Böhmen und
ab 1300 als Wenzel I. König
von Polen.
Er war der vorletzte Herrscher aus der Dynastie derPřemysliden.
Als Kind lebte er von 1279 bis 1283 in Gefangenschaft seines
Vormunds Otto
V. in Brandenburg.
Nach seiner Rückkehr stand der jugendliche König in Prag bis 1288 unter dem
Einfluss des Wittigonen Zawisch
von Falkenstein. Als regierender König erwarb er zur böhmischen 1300 die
polnische und von 1301 bis 1303 für seinen Sohn Wenzel
III. die ungarische Krone.
Im Gegensatz zu seinem Vater Přemysl
Ottokar II. galt Wenzel II. der
Nachwelt als schwacher Herrscher. Er war kein Eroberer, sondern vor allem
Diplomat. Als Herrscher über die böhmischen Silberminen verfügte er über
genügend Mittel, um sich in der europäischen Politik zu behaupten und Böhmen
eine langjährige Friedenszeit zu sichern.
Inhaltsverzeichnis:
1. Geburt
2. Geiselhaft
3. Zawisch von Falkenstein
4. Herrschaft
5. Tod
6. Literatur
7. Weblinks
8. Anmerkungen
1. Geburt
Wenzel wurde 1271 als lang erwarteter Thronfolger König
Přemysl Ottokars II. auf der Prager
Burg geboren. Sein Vater war
seit 1253 König von Böhmen und hatte zudem ab 1251 die Macht in den
Herzogtümern Österreich,Steiermark, Kärnten und Krain erworben.
Dessen erste Ehe mit Margarethe
von Babenberg blieb kinderlos.
Von den Kindern, die dessen zweite Frau Kunigunde
von Halitsch zur Welt brachte,
lebten 1271 nur noch zwei Mädchen:Kunigunde und
Agnes. Wenzel war bei seiner Geburt der einzige legitime Sohn und Erbe eines
Territoriums, das vom Riesengebirge bis zur Adria reichte.
Das Reich Přemysl Ottokars II. zerbrach jedoch am Konflikt mit
dem römisch-deutschen König Rudolf
I. von Habsburg. Bereits dessen Wahl 1273 hatte der böhmische König
abgelehnt, und er widersetzte sich auch der Forderung, sich seine Länder als Reichslehen bestätigen
zu lassen. 1275 verhängte Rudolf über ihn die Reichsacht.
Die Feindschaft eskalierte 1276 in einen bewaffneten Zusammenstoß, in dem
Přemysl unterlag. Er verlor bis auf seine Erbländer alle Territorien und mußte
Rudolf zwei Kinder versprechen: Kunigunde wurde zur Ehefrau für Rudolfs SohnHartmann bestimmt,
Wenzel sollte eine Tochter des Habsburgers heiraten. Die Beziehung beider
Herrscher verschlechterte sich dennoch weiter und endete 1278 mit der Schlacht
auf dem Marchfeld, in der Přemysl Ottokar II. fiel. Der siebenjährige
Wenzel war zum König von Böhmen geworden.
2. Geiselhaft
Auf der Burg Bezděz verbrachte Wenzel II. 1279 die ersten Monate seiner
Gefangenschaft
Zum Vormund hatte Přemysl Ottokar II. vor der Schlacht seinen
Neffen Markgraf Otto
V. von Brandenburgvorgesehen, der im Spätsommer 1278 dem Ruf der
Königinwitwe folgte und mit einem mehrere hundert Mann starken Heer in Böhmen
einrückte. Die Regentschaft Ottos entwickelte rasch zur Schreckensherrschaft.
Die Brandenburger Truppen plünderten das Land. Der Markgraf hatte nach kurzer
Zeit den Adel, die Kirche und die Königinwitwe gegen sich. Kunigunde bat zwar
bereits im Oktober 1278 Rudolf von Habsburg um Vermittlung, doch die
Verhandlungskommission bestätigte Otto als Vormund und Herrscher über Böhmen. Mähren behielt
Rudolf für die Dauer von fünf Jahren in seiner Gewalt. Um seine Macht
abzusichern, ließ Otto von Brandenburg sein Mündel im Januar 1279 aus
Kunigundes Residenz in der Stadt in die Prager Burg bringen. Doch reichte dies
nicht: am 4. Februar wurde Wenzel mit seiner Mutter auf die Burg
Bezděz überführt. Von diesem
Zeitpunkt an war der junge König Geisel des Regenten.
Die Königin wurde offenbar nicht gefangen gehalten. Sie
verließ die Burg nach etwa zwei bis drei Monaten in RichtungOppau,
wo ihre Witwengüter lagen. Wenzel blieb in Ottos Gewalt. Im Spätsommer 1279
brachte der Markgraf den König außer Landes: die Reise führte über Zittau und Berlin in
die Askanierburg Spandau,
wo der Gefangene Ende Dezember eintraf und bis 1282 blieb. Das Bild der
Brandenburger Gefangenschaft Wenzels war lange von der zeitgenössischen
Schilderung der Königssaaler
Chronik geprägt, nach der er
hungrig und zerlumpt in Elend gehalten worden sei - ein hagiographisches
Element, das so nicht aufrechterhalten werden kann. Tatsächlich blieben Wenzel
II. und Otto V. auch später in engem Kontakt, und es scheint, als habe der
König gerade in jener Zeit die Grundlagen seiner Bildung erworben. Er sprach
später fließend Deutsch und Latein, besaß Kenntnisse der Theologie, des Rechts
und der Medizin und verfasste Verse. Lesen und Schreiben lernte er jedoch
nicht.
Ins Elend stürzte während der Brandenburger Herrschaft dagegen
das Land. In den Jahren 1281-1282 ereignete sich in Böhmen, verursacht durch
andauernde Kämpfe und zwei Mißernten, eine der schlimmsten Hungersnöte des
Mittelalters. Das Land wurde von Söldnern und Räuberbanden heimgesucht und
drohte im Chaos zu versinken. Vertreter des Adels, der Geistlichkeit und
einiger Städte nahmen Verhandlungen mit Otto auf, um den König wieder ins Land
zu holen und die bedrohliche Situation abzuwenden. Diese Verhandlungen weisen
auf eine grundlegende Veränderung der staatlichen Ordnung hin. Der Adel trat
- in Abwesenheit einer zentralen Macht - erstmals geschlossen als Repräsentant
des Landes auf und übernahm Verantwortung für dessen Schicksal. Die ersten
Einigungsversuche im Frühjahr 1282 scheiterten an der Höhe des Lösegeldes.
Otto brachte seine Geisel nach Prag, verlangte aber statt der ursprünglichen
15.000 zusätzliche 20.000 Pfund Silber.
Wenzel wurde erneut fortgeführt und verbrachte ein weiteres Jahr in Dresden am
Hof des Markgrafen von Meißen. Erst als die Verhandlungsführer dem Markgrafen
einen Teil Nordböhmens als Pfand versprachen, ließ Otto den Gefangenen frei.
Am 24. Mai 1283 kehrte Wenzel nach Prag zurück.
3. Zawisch von Falkenstein
Das Siegel des Zawisch von Falkenstein
Prag feierte die Rückkehr des Königs im Mai 1283 begeistert,
selbständig regieren konnte der knapp Zwölfjährige noch nicht. Die adlige
Gruppe, die sich für seine Freilassung eingesetzt hatte, teilte die höchsten
Hofämter untereinander auf.Hofmeister und
damit Erzieher und Vertreter des Königs wurde ihr Anführer Purkart
von Janowitz. Die Konstellation hatte nur wenige Monate Bestand. Noch im
Verlauf des Jahres 1283 rief Wenzel seine Mutter Kunigunde nach Prag zurück,
und mit ihr kam Zawisch
von Falkenstein an den Hof. Die
Karriere des Burggrafen aus dem einflussreichen südböhmischen Geschlecht der Wittigonen hatte
zum damaligen Zeitpunkt bereits einige außergewöhnliche Wendungen durchlaufen:
1276 hatte er eine Rebellion gegen Přemysl Ottokar II. angeführt. 1280 trat er
in Oppeln in den Dienst der Königinwitwe und beteiligte sich am Widerstand
gegen die brandenburgische Regentschaft. Nach Prag kam er 1283 als Kunigundes
Ehemann und Vater ihres jüngsten Sohnes Jan. Die ungleiche Ehe, noch dazu
heimlich, ohne Wissen der Familien eingegangen, war ein Skandal, doch da
vollzogen, war sie nach damaligem Recht gültig. Der junge König akzeptierte
die Verbindung, und Kunigunde überließ Zawisch Wenzels Erziehung. Der
Wittigone war damit faktisch zum Herrscher des Landes aufgestiegen. Er
übernahm selbst kein Amt, doch noch im Winter 1283/1284 besetzte er alle
wichtigen Hofposten mit seinen Verwandten und Parteigängern. Die entmachtete
Adelsgruppe ging zum bewaffneten Widerstand über, musste aber im Mai 1284
einen vierjährigen Waffenstillstand akzeptieren. Die offizielle Eheschließungholten
Zawisch und Kunigunde zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 1283
und 1285 nach.
Auch wenn die Macht Zawischs in Böhmen unangreifbar schien,
für den Hof des römisch-deutschen Königs blieb der Aufsteiger inakzeptabel.
Dies zeigte sich deutlich in Verlauf von Wenzels eigener Eheschließung mit Guta
von Habsburg. Die beiden wurden bereits 1278/1279 verlobt, möglicherweise
auch schon verheiratet.
Vollzogen werden konnte die Ehe aber erst im Januar 1285 bei einem Treffen der
Familien in Eger,
als Braut und Bräutigam 13 Jahre und damit so gut wie volljährig waren. Wenzel
leistete bei der Gelegenheit dem Schwiegervater auch den Lehnseid für
seine Erbländer. Zawisch war bei der Zeremonie nicht anwesend, und als Rudolf
I. Eger verließ, nahm er seine Tochter wieder mit. Erst im Sommer 1287 gab der
Habsburger dem Drängen der böhmischen Seite nach und die Königin zog mit ihrem
Gefolge auf dem Prager Hof ein. Ein Jahr später nahm Wenzel II. die
Regierungsgeschäfte in eigene Hand. Eine seiner ersten selbständigen
Amtshandlungen war im Jahr 1288 eine Verschwörung gegen
seinen Stiefvater, der gerade, drei Jahre nach Kunigundes Tod, eine neue Ehe
eingegangen war und dessen freiwilliger Verzicht auf die Macht im Land nicht
zu erwarten war. Wenzel ließ Zawisch unter einem Vorwand in die Burg rufen und
nahm ihn gefangen. Nach zweijährigerKerkerhaft starb
Zawisch von Falkenstein 1290 vor der Burg
Hluboká durch das Schwert. Der
tiefgläubige König soll schwer an seiner Entscheidung getragen haben. Das
Zisterzienserkloster Zbraslav gründete
er nach Aussage zeitgenössischer Quellen als Sühne für
seinen Verrat.
4. Herrschaft
Sowohl der Vergleich mit seinem charismatischen Vater Přemysl
Ottokar II., als auch die spektakulären und skandalträchtigen Ereignisse in
der Jugend Wenzels II. haben das Urteil über den König jahrhundertelang
geprägt. Er galt als ein schwacher Herrscher, seine Persönlichkeit wurde als
neurotisch bis krankhaft beschrieben, das Interesse an seiner Regierungszeit
war gering. So urteilte bereits sein Zeitgenosse Dante
Alighieri über Vater und Sohn:
<poem> Hieß
Ott’kar, der, mit Windeln noch umkleidet, Besser
als Wenzeslaus, sein Sohn, erschien, Der
Bärt’ge, der an Üppigkeit sich weidet.[1] </poem>
Politisch und ökonomisch erlebte Mitteleuropa in den Jahren
1290-1305, in der Zeit Wenzels II. selbständiger Regierung, allerdings eine
Phase der Ruhe und Stabilität. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern pflegte der
König einen Regierungsstil, der auf fachkundige Berater und Diplomatie statt
auf Krieg und Eroberung setzte. Den Besitz seines Vaters in den Alpenländern
konnte er nicht wiedererlangen. Das Hauptaugenmerk böhmischer Außenpolitik
richtete er nach Norden: Auf die Markgrafschaft
Meißen, das Pleißenland und
besonders nach Polen.
Als Kurfürst war
er auch einer der Hauptakteure in der Politik des Heiligen
Römischen Reiches. Die römisch-deutschen Könige Rudolf
I., Adolf
von Nassau und Albrecht
I. waren seine Lehnsherren. Der
Reichtum und die Macht der böhmischen Krone ließ sie zu seinen
Verhandlungsparnern und oft auch zu Gegnern werden.
4. 1. Böhmen
König Wenzel II. erteilt dem
Kuttenberger Bergwerk
seine Bergordnung.
Prager Groschen
Wenzel II. übernahm von seinem Stiefvater eine relativ
gefestigte Herrschaft. Um das Land endgültig zu befrieden und den erstarkten
Adelsstand in Schach zu halten, stützte sich der König auf seinen Hof und hier
vor allem auf geistliche Ratgeber. Die Außenpolitik legte er in die Hände
erfahrener Diplomaten: Zunächst verpflichtete er Bischof Arnold
von Bamberg (1290-92), dann Bernhard
von Kamenz (1292-1296) und
schließlich Peter
von Aspelt (1296-1304).
Wirtschaftlich hatte sich die Lage nach dem Niedergang während
der Brandenburger Zeit um 1290 wieder stabilisiert. Der Landesausbau während
der Binnenkolonisation im
13. Jahrhundert und vor allem die neuerschlossenen ergiebigenSilbervorkommen in Kutná
Hora schufen Voraussetzungen
für wirtschaftlichen Aufschwung. Bereits vor 1300 wurde hier 41% des
europäischen und 90% des böhmischen Silbers gefördert. Um die Arbeit in den
Bergwerken und damit seine wichtigste Einnahmequelle zu regeln, gab Wenzel II.
zwischen 1300 und 1305 das Ius
regale montanorum in Auftrag,.
ein Bergrecht,
das zumindest in Teilen bis 1854 gültig blieb. 1300 führte er eine Münzreform durch,
um die Qualität der Währung zu heben. Der neue Prager
Groschen setzte sich wegen
seines stabilen Wertes auch im benachbarten Ausland durch. Der Prager Hof
blieb unter König Wenzel II. wie schon unter seinem Vater ein kulturelles
Zentrum, besonders der zeitgenössischen deutschen Literatur. Ulrich
von Etzenbach widmete Wenzel
II. einenAlexanderroman in
30.000 Versen, und vom König selbst sind in der Manessischen
Liederhandschrift drei Minneliedererhalten.
Zum glanzvollen Höhepunkt und Machtdemonstration des
königlichen Paares sollte die Krönung werden.
Sie musste mehrfach verschoben werden und fand daher erst im Jahr 1297 statt.
Das Fest endete tragisch: Am siebzehnten Tag nach der Krönung starb Königin
Guta an Erschöpfung in Folge der Geburt ihres zehnten Kindes. Der Fortbestand
der Dynastie war trotz der hohen Kinderzahl nicht ausreichend gesichert. Fünf
Kinder starben als Säuglinge. Drei Töchter konnte Wenzel II. zum Knüpfen
diplomatischer Bündnisse einspannen: Agnes wurde mit Ruprecht von Nassau, Annamit Heinrich
von Kärnten und Margarethe mit Boleslav
von Lehnitz vermählt. Elisabeth,
ursprünglich wohl für den geistlichen Stand bestimmt, blieb zu Lebzeiten ihres
Vaters ledig. Nur ein Sohn, der künftige König Wenzel
III., erreichte das Erwachsenenalter.
4. 2. Polen
Wenzel II. mit böhmischer und polnischer Krone. Abbildung aus dem
Chronicon Aulae Regiae
Kurz nach seiner Regierungsübernahme schaltete sich Wenzel II.
in die Machtkämpfe in Polen ein.
Das in Herzogtümer zersplitterte Königreich erlag ab dem 12. Jahrhundert
sukzessive dem feudalen Partikularismus.
Wenzel begann, systematisch Verbündete zu suchen und die Teilherrschaften
unter seine Kontrolle zu bringen. 1289 leistete ihm mitKasimir
von Beuthen der erste polnische
Herzog für sein Herzogtum den
Lehnseid. 1291 gewann er die Oberhoheit über einen Großteil des Herzogtums Oppeln und
das Herzogtum Krakau und
ging ein Bündnis mit Herzog Bolesław III. von Masowien ein,
dem er seine Schwester Kunigunde zur Frau gab. 1292 eroberte er das von Herzog Władysław
Ellenlang von Kujawien,
seinem mächtigsten polnischen Widersacher, gehaltene Herzogtum Sandomir,
und war nun die stärkste Kraft in der Provinz Kleinpolen.
Einen Rückschlag erlitt die Politik Wenzels II. 1295, als
Herzog Przemysław
II., stärkster Mann in Großpolen undPommerellen,
überraschend zum polnischen König gekrönt wurde. Dieser fiel jedoch bereits
ein Jahr später einem Mordanschlag zum Opfer. Als sein Nachfolger setzte sich
Władysław Ellenlang in seiner Eigenschaft als Herzog von Großpolen und
Pommerellen zunächst durch. 1299 schloss der verschuldete Herzog einen Vertrag
mit Wenzel II., in dem er sich gegen eine Geldzahlung verpflichtete, dem
böhmischen König den Lehnseid zu leisten. Er hielt die Vereinbarung nicht ein,
daraufhin zwang in der Böhme 1300 ins Exil. Wenzel II. setzte sich damit,
neben dem Besitz von Kleinpolen, auch als Herrscher in den Provinzen Großpolen,
Pommerellen, Kujawien und
Mittelpolen mit den Hauptburgen Sieradz und Łęczyca durch.
Nur einzelne polnische Territorien lagen ab da noch außerhalb seiner
unmittelbarer Macht, zum Beispiel das mit ihm verbündete Masowien.
Vorsichshalber holte Wenzel II. noch die Zustimmung seines eigenen Lehnsherrn,
des römisch-deutschen Königs Albrechts I. ein, und er hielt um die Hand Rixasan,
der einzigen Tochter des verstorbenen Königs Przemysław. Als beides positiv
ausfiel, marschierte Wenzel II. erneut mit einem Heer in Polen ein. Die
bewaffnete Begleitung diente nur der Machtdemonstration, denn ernsthaften
Widerstand gab es nicht mehr. Gekrönt wurde er im August 1300 in Gnesen durch
Erzbischof Jakub
Świnka. Seine Herrschaft sicherte er mit einer Reihe von
Verwaltungsreformen. Unter anderem führte er das Amt eines Starosten als
königlichen Vertreter ein, das auch nach seinem Tod in Gebrauch blieb. Bis
Ende 1300 blieb der neue polnische König in seinem Königreich, dann zog er
zurück nach Prag. Er betrat Polen nie wieder.
Die zweite Frau des Königs war im Jahr 1300 zwölf Jahre alt.
Trotz dieses bereits ausreichenden Alters gab es zunächst keine Eheschließung,
sondern nur eine Verlobung. Anschließend schickte Wenzel das Mädchen zu seiner
Tante Griffina auf die Burg
Budyně. Erst 1303 wurde die Ehe vollzogen, und Rixa, die nach der Heirat
den Namen Elisabeth annahm, wurde Mutter von Wenzels jüngster Tochter Agnes.
Warum Wenzel II. nach Gutas Tod sechs Jahre Witwer geblieben war, anstatt sich
um weitere legitime Söhne zu sorgen, ist unklar. Glaubt man dem Verfasser der
Österreichischen Reimchronik, so herrschten in diesen Jahren lockere Sitten am
Prager Hof, wilde Feste wurden gefeiert und eine Geliebte Wenzels namens Agnes
gab den Ton an. Einen Thronfolger für die beiden Königreiche gab es immerhin
bereits.